von Marxelinho

Alles neu macht der Boxing Day

Den Kader von Arsenal kann man auch so sehen: In Sachen Weihnachtsunterhaltung ist er fast unschlagbar. Santi Cazorla als Santa Claus, Alexis Sánchez am Piano, das sind alles großartige Momente, und in den sozialen Netzwerken liegt Arsenal vor Chelsea. In der Meisterschaft aber beträgt der Rückstand 15 Punkte. Heute beginnt mit dem Boxing Day-Heimspiel gegen die Queens Park Rangers eine Serie von drei Spielen in wenigen Tagen, von denen die beiden nächsten Gegner just die beiden Mannschaften sind, die in der Tabelle zwischen Arsenal und einem CL-Platz liegen: West Ham und Southampton, bei beiden muss Arsenal auswärts antreten.

Der Coach will sich erst nach diesen drei Spielen so richtig messen lassen. Aus guten Gründen, denn die bisherige Saison verläuft enttäuschend. Nur sieben Siege aus 17 Spielen, sechsmal Remis (zuletzt am vergangenen Wochenende in Liverpool, durch einen Kopfballtreffer von Skrtel in der Nachspielzeit, der wieder einmal gezeigt hat, dass Arsenal einfach nichts dazulernt, denn es war eine exakte Replik eines Treffers, mit dem vor zehn Monaten ein legendäres Debakel an der Anfield Road begann), vier Niederlagen (darunter eine haarsträubende gegen Manchester United).

Die Fans sind gespalten, es gibt inzwischen gelegentlich Transparante, die Wenger den Rücktritt nahelegen. Ich sehe hier einen klassischen Fall von Umständen, wie sie der Fußball (ein Sport, der "von Spiel zu Spiel" denkt) nun einmal hervorbringt. Es gibt schon seit vielen Jahren gute Gründe, Wenger zu hinterfragen, aber es gibt auch einen eklatanten Mangel an plausiblen Alternativen. Jürgen Klopp wird verschiedentlich genannt, und auch wenn in Dortmund keinerlei Indizien für eine baldige Trennung sprechen, so gibt es doch Anzeichen für ein Ende dieser bemerkenswerten Ära.

Ich verlinke auf den Text von Raphael Honigstein nicht, weil ich hoffe, dass Klopp tatsächlich zu Arsenal wechselt (ich wäre eher für Lucien Favre), sondern weil es für meine Begriffe aktuelle stilistische Parallelen zwischen Arsenal und dem BVB gibt. Und dieser Befund hat eine besondere Pointe noch darin, dass Dortmund vor gerade einmal etwas mehr als drei Monaten mit dem 2:0 gegen Arsenal in der CL-Gruppe ein Exempel statuiert hat. Es war Pressing nahezu in Perfektion. Arsenal fand neunzig Minuten lang überhaupt nicht ins Spiel.

Eine solche Leistung lässt sich nicht beliebig wiederholen oder gar "abrufen". Bei Arsenal fiel aber in dieser Saison zunehmend auf, dass Wenger offensichtlich versucht, die Klopp-Methoden zu übernehmen. Mit den agilen Neuzugängen Sánchez und Welbeck, mit Oxlade-Chamberlain und Cazorla gibt es vier Offensivkräfte, die auch intensiv und weit vorne anlaufen. Allerdings fehlt es an der Balance, und das hat viel damit zu tun, dass auch der Mann neben Flamini (dem einzigen Sechser) in der Regel offensiv denkt: Ramsey oder Wilshere.

Die bisher 21 Gegentore haben weiters damit zu tun, dass die Defensivformationen immer wieder umgebaut werden musste. Mit Monreal und Debuchy helfen häufig Außenverteidiger neben Mertesacker aus, der große "fucking German" ist die einzige Konstante, auch darin, dass er gelegentlich zu spät kommt. Dass nun mit Coquelin ein Vertreter für Flamini (nominell Vertreter von Arteta) bereit steht, der vor einem Jahr in Freiburg durchfiel, ist eine der typischen Wenger-Ironien.

Die meisten Beobachter rechnen damit, dass er im Winter einkaufen wird: einen Innenverteidiger und vielleicht sogar einen defensiven Mittelfeldmann. Das wäre auch deswegen von Interesse, weil Arsenal mit dem AS Monaco einen schlagbaren Gegner im CL-Achtelfinale erwartet, und weil die Mannschaft offensiv so aufregend ist wie schon lange nicht.

Aber das ändert alles nichts daran, dass sich Arsenal seit vielen Jahren recht verlässlich gleich geblieben ist: eine Mannschaft, die großartige Ansätze zeigt, aber immer wieder in einen Trott verfällt, der die entscheidenden Punkte und Momente kostet. Heute ist also wieder einmal einer dieser Tage, von denen wir immer wieder verdrängen müssen, wie viele wir schon erlebt haben: ein Tag, mit sich die Hoffnung verbindet, dass "von nun an" alles besser laufen könnte.

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