Von Jonjoe Kenny hatte ich lange Zeit eher nur eine ungefähre Vorstellung. Ein Spieler aus dem Mutterland des Fußballs, den ein paar Launen des internationalen Soldsystems in Berlin hinterlassen hatten. Ein energischer Fußballer, der aber in oft konfusen Defensivformationen auch nicht wirklich für Ordnung sorgen konnte. Ein paar Szenen in der Hertha-Doku aus der vergangenen Saison brachten ihn mir dann näher. In der Kabine ist er offensichtlich weiterhin ein Sonderfall, weil er eben nur Englisch spricht. Er trat dort aber immer wieder sehr leidenschaftlich auf – eine Verhaltensweise, die ja auch riskant ist, wenn sie nicht durch eigene Leistung gedeckt ist. Und Hertha steuert in der aktuellen Saison nach vier Spielen schon wieder auf einen erhöhten Gegentorwert zu. Da könnte man zu einem Defensivarbeiter schnell einmal sagen: si tacuisses ...
Kenny aber ist derzeit der Einpeitscher. In den Motivationskreis, den die Mannschaft vor Anpfiff bildet, ruft er hinein. Und er ist zu einem echten Faktor für das Aufbauspiel geworden, er spielt in einer Viererkette mit der Dynamik eines Linienläufers, wie ihn eher Teams mit Dreierkette kennen: einer, der die gesamte Seite (in seinem Fall die rechte) zu seiner Domäne zu machen versucht. Gegen Regensburg sah man ihn spät im gegnerischen Sechzehner bei einem kleinen Kabinettstückerl, das Maza auf den Weg zum Führungstreffer brachte. Gegen Kaiserslautern am Samstagabend (in einem insgesamt begeisternd, aber auch manchmal bedenklich offenen Spiel) sah man ihn mehrfach bei intensiven Läufen, bei denen er diverse interessante Bälle in den Fuß bekam. Zum Beispiel von Gechter in einer von mehreren zielstrebig vertikalen Spieleröffnungen.
Entscheidend für den Sieg war für meine Begriffe schließlich, dass Marton Dardai nach der Pause zu Gechter aufschloss. Der linke der beiden jungen zentralen Hertha-Defensiven hatte sich in Halbzeit eins noch zurückgehalten, auch das war vielleicht eine Facette des Fehlers, den Gechter schließlich beging, als er einen kleinen Lauf von Demme nicht verstand und so einen FCK-Konter einleitete. Auf Gechter lastete in Halbzeit eins der Großteil des Herausspielens. Nach der Pause aber packte Marton Dardai regelrecht ein Register seiner langen Bälle aus. Besonders schön natürlich der auf Karbownik vor dem 2:2 durch Scherhant. Es ist vielleicht auch ein Charakteristium der zweiten Liga, dass so viele solcher Pässe klappten. Der FCK war jedenfalls das Gegenteil von kompakt.
Und Hertha konnte das dieses Mal nützen. Das Spiel endete 4:3 und nicht 4:6 wie beim vergleichbaren Auswärtsepos in Magdeburg vor einem Jahr. Mit seinem entscheidenden Treffer war nun auch Cuisance in der Saison und bei Hertha angekommen. Seine besondere Rolle als rechter Flügel, der aber eher rechts in einem Mittelfelddreieck agierte, hing auch mit Kennys Aktionsradius zusammen. Der Trainer verzichtete dieses Mal auf eine orthodoxe Winger-Konstellation, Hertha war dadurch weniger ausrechenbar. Es wird gar nicht so leicht, für Sessa die beste Position zu finden, wenn er schließlch zur Verfügung steht.
Der Sieg war schließlich knapp auch deswegen, weil das Team sich offensichtlich stark verausgabt hatte. Bei Gechter sieht man doch immer noch, wie jung er ist, er ist jedes Mal ganz schön geschlaucht nach 60 Minuten. Für den Moment aber darf Benjamin Weber sich bestätigt fühlen: Hertha hat auch nach den Verkäufen von Tabakovic und Kempf eine Chance in der zweiten Liga. Leidenschaftliche Spiele wie das in Kaiserlautern miz zwei offensichtlich begeisternden Fanblöcken bleiben wohl ein Charakteristikum der romantischen Liga, wie ich sie für mich nenne.
Nun ist das Transferfenster geschlossen, die Liga macht Länderspielpause. Reese und Maza sind noch da, Maza mehr denn je auch aktuell auf dem Feld. Marton Dardai vertritt derweil Reese bei den langen Einwürfen, ein Detail, das auch zeigt, dass dieser Kader gegenüber der Vorsaison ein paar Grade an Homogenität dazu gewonnen hat. Vor einem Jahr gab es bei Benjamin Weber noch viel Hit and Miss, dieses Jahr ist der Berliner Weg ein paar gewichtige kleine Schritte weiter. Wir dürfen uns wohl auf den Herbst freuen.
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