Das im Detail ziemlich interessante Finale der Champions Leage in Berlin bietet einen guten Anlass, ein paar Dinge zurechtzurücken, die von den Hertha-Verantwortlichen nach Ende der Saison auf der Mitgliederversammlung geäußert wurden.
Natürlich ist der Abstand zu dieser Art von Fußball enorm, man ist geneigt, in Dekaden zu denken, wenn da überhaupt jemals irgendetwas aufholbar ist. Die Schönheit hat am Samstagabend bei Barcelona das Risiko der systemischen Konzeption überwogen, die Höhe des Spiels von Jordi Alba war der bezeichnendste Faktor. Hertha haben wir hingegen zuletzt dabei gesehen, wie eine Mannschaft sich rechtschaffen mit der extremen Orthodoxie eines defensivkompakten 4-4-2 abmühte.
Bei der Rechtfertigung für die Stagnation auf niedrigem Niveau bemühten die Verantwortlichen auf der MV auch wieder "viel Realismus in Hinblick auf unsere Möglichkeiten". In der zweiten Hälfte der Tabelle herrsche ein "ungeheurer Existenzkampf", sagte Michael Preetz in seiner Rede. Das war aus guten Gründen defensiv formuliert, ist aber eben nur die eine Seite der Wahrheit.
De facto gibt es in der ersten Liga einen sowohl finanziell wie sportlich potentiell ziemlich homogenen Block, der von Platz 6 bis 16 reicht. Zwischen Europa und Abstieg machen die Sache also Teams untereinander aus, bei denen es eigentlich keine Ausreden geben dürfte. Dass Hertha bis zum letzten Tag zittern musste, während Augsburg schließlich eine gute Saison stark beenden konnte, steht auf ein und demselben Blatt.
Anders formuliert: innerhalb dieses Blocks sind die wesentlichen Unterschiede solche der Kompetenz. Selbst für Hertha war ungefähr zur Hälfte der Rückrunde die Tür nach Europa ganz kurz für einen kleinen Spalt offen - wäre der späte Ausgleich von Schalke nicht gefallen, hätte die Mannschaft vielleicht mit einer ganz anderen Dynamik gegen den HSV (wo einn knapper Sieg gelang) und gegen Hannover (das erste einer Serie von genügsamen Unentschieden, die letztendlich zur Signatur dieses Klassenerhalts wurden) gespielt.
Natürlich spricht alles dafür, die Sprachregelungen für die nächste Saison vorsichtig zu gestalten. Die Fans wissen auch so, dass "Etablierung" alle Möglichkeiten offen lässt, ich spreche lieber von "Konsolidierung", und meine damit, dass Spiele auf Augenhöhe nicht automatisch auf das torlose Remis als die Minimaldefinition hinauslaufen.
Das Spiel gegen Schalke war in dieser Hinsicht auch deswegen von entscheidender Bedeutung, weil es in der Liga häufig darauf ankommt, die Verwundbarkeiten zu spüren. S04 kam nicht als der nominelle Gigant, sondern als das konfuse Team, das sie in diesem Jahr zumeist waren. In solchen Situationen vor allem merkt man, dass Hertha geradezu konstitutiv auf unsicherem Grund agiert. Das vor allem muss in der neuen Saison behoben werden: durch eine variantenreichere Spielanlage. Der "Überlebenskampf" darf nicht Grundlage der Spielkonzeption sein. Hertha darf sich nicht von vornherein "zu tief" aufstellen.
Bei aller Vorsicht in der Formulierung der kommenden Ziele wird das Beispiel Augsburg niemandem entgehen können. Was Augsburg erreicht hat, ist für Hertha nicht außer Reichweite. Voraussetzung ist allerdings, dass in allen Bereichen gute Arbeit geleistet wird: Personalplanung, Fitness, medizinische Abteilung, Taktik, Motivation.
In allen Bereichen gibt es Potential, sich deutlich zu verbessern, und auch wenn man großzügig davon ausgeht, dass dies die dritte (und nicht die siebente) Saison für Michael Preetz wird, in der er zeigen kann, was er als Manager des sportlichen Bereichs kann, so muss man gleichzeitig doch wohl sagen: in der kommenden Saison kommt es für ihn darauf an. Die finanziellen Umstände sind klar abgesteckt, die sportlichen auch. Jetzt kann er sich beweisen, jetzt muss er es aber auch. Von nun an kann es keine Ausreden mehr geben, sondern nur noch gute Gründe.
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