Den Confed Cup in Putinistan habe ich bisher locker ignoriert, das Turnier der U 21 in Polen aber finde ich großartig. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass in der Mannschaft von Stefan Kuntz bisher immer drei Herthaner zur Startformation gehörten. Das Spiel am Samstagabend war ein Beispiel dafür, wie sich der Fußball allgemein in Zukunft entwickeln könnte, allerdings unter den klassischen Konditionen mit Viererketten und Sturmzentrale (statt Dreierkette und Siebenerschwarm). Es war auch eine Lehrstunde, bei der man gelegentlich an Hertha denken konnte.
So richtig eingestiegen bin ich erst beim souveränen Sieg über Dänemark. In diesem Spiel bildete sich allmählich fast so etwas wie eine vertikale Hertha-Achse heraus, begünstigt durch Spieleröffnungen von Niklas Stark, die keineswegs immer nach außen gingen, durch eine variable Rolle von Mitchell Weiser, der oft nach innen ging, und durch einen mit zunehmendem Spielverlauf besser integrierten Davie Selke.
Die Stimmung war optimistisch vor dem entscheidenden Spiel gegen Italien, und der Beginn war auch gut. Dann wurde die Sache aber immer schwieriger. Das hatte mit einem Umstand zu tun, für den es in der jüngeren Fußballersprache zahlreiche Namen gibt: Pressing, Jagdfußball, hohes Anlaufen. Beim einzigen Gegentor waren vier Italiener auf Höhe der letzten deutschen Linie, die in diesem Moment de facto aus dem Keeper Pollersbeck und Niklas Stark bestand. Der Torhüter ließ sich zu einem seitlichen Abschlag verleiten, Stark wusste sich in der Not nicht anders zu helfen als mit einem schwierigen Pass auf Dahoud, der versuchte es mit einem technischen Manöver und verlor den Ball.
Man spricht in so einem Fall auch von Überfallfußball: Ba-Ba-Ba-Ballüberfall. Für Hertha-Fans war es ein Gegentor mit einer Blaupause (oder einer Blauweißpause, wenn man so mag). Denn Rune Jarstein war im Vorjahr das eine oder andere Mal in einer vergleichbaren Situation, und wir haben Gegentore gesehen, die dem vom Samstag glichen. Niklas Stark hatte gegen Italien insgesamt ein schwieriges Spiel. Das sollte aber nicht vergessen lassen, dass er insgesamt bisher ein gutes Turnier spielt.
Und auch hier gibt es Aspekte für Fans mit Clubbrille. Denn Stark spielt in der U21 eine deutlich vertikalere Eröffnung als bei Hertha, wo er allerdings nicht so oft ganz hinten eingesetzt wurde. Den Pass ins Zentrum kann er auch deswegen riskieren, weil jemand wie Dahoud ihn ganz anders verarbeitet als ein Skjelbred oder ein Lustenberger. Beim Gegentor der Italiener war Stark wohl zu optimistisch, was die Lösungskompetenz von Dahoud anlangt, aber dessen Beweglichkeit bei der Ballannahme, seine Umschalteleganz sind schon enorm. Die tollen Italiener brachten ihn aber an seine Grenzen.
Der Blick auf Stark in Polen bringt mich zu einem Thema zurück, das in den Überlegungen bei Hertha anscheinend keine Rolle spielt: Ich finde, der Kader braucht einen neuen Sechser. Vermutlich ist Stark selbst für diese Rolle vorgesehen, das wäre auch eine akzeptable Lösung, keine Frage. In der U21 sind aber sowohl Arnold wie auch Dahoud, auch wenn beide gegen Italien richtig litten, ganz anders strategisch eingebunden, als das die meist sehr konservative Doppelsechs bei Hertha zumeist war.
Dass Mitchell Weiser gegen Italien auch eher wirkungslos blieb, und Davie Selke wieder die Einsamkeit des Vollstreckers inmitten humorloser italienischer Amtsschimmel (Kasten heute geschlossen) erlebte, das waren auch Aspekte dieses hochinteressanten Spiels. Aber meine Augen waren auf den neuralgischen Punkt gerichtet, an dem dann auch das Tor entstand: auf die Zone, in der Spieleröffnung und Umschaltspiel ineinander übergehen, weil eben der Spieler, der den ersten Pass verarbeitet, im Grunde schon etwas tun muss, was einem Konter nicht unähnlich ist. Schließlich war Italien in diesen Momenten mit so vielen Leuten in der Nähe des Balls (in der Regel vier, manchmal fünf), dass ein öffendes Manöver schon Chancen ergeben konnte. Es gelang allerdings selten, was auch daran liegt, dass diese italienische Mannschaft keinen verausgabenden Jagdfußball spielt, Marke Kloppo, sondern einen leichtfüßigen, jugendlichen, einen mit Zukunft eben. Einen, den man überall genau studieren wird.
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