Bolzplatzmentalität

Für den Kommentator von Sport 1 ist der Name Nikos Zografakis ein "Zungenbrecher". Man kann in dieser Bemerkung einen Rest des deutschen (Herren-)Provinzialismus erkennen, der bei den Stimmen aus dem Off im Fußball immer noch deutlich ausgeprägt ist. Für Hertha-Fans ist Zografakis ein geläufiger Name, spätestens seit dem Meistertitel, den die U19 im vergangenen Sommer geholt hat.

Es gäbe da übrigens noch ein paar andere Zungenbrecher: Jastrzembski oder Ngankam. Oder wie wäre es mit Aouchiche? Oder Ruiz-Atil? Okay, das sind jetzt schon Namen aus der gegnerischen Mannschaft, die wir gestern in der UEFA Youth League beobachten konnten. Hertha BSC gegen Paris Saint-Germain. Es war eine großartige Gelegenheit, einen "Vorschein" dessen zu verspüren, was im Fußball möglich sein kann - passenderweise gab es dann am Abend noch ein großes Spiel in Anfield in der Liga der richtigen Champions, an der Hertha BSC aus guten Gründen nicht beteiligt ist.

Die Jahrgänge 1999 bis 2001 machen dem Club aber schon eine Weile alle Ehre, und das 2:1 (0:1) ist ein weiterer Schritt. Das Amateurstadion hat gerade die richtige Größe, damit man so richtig dran sein kann am Spiel, und doch noch etwas von der Formationsarbeit mitkriegt. PSG hatte eine etwas jüngere Mannschaft nach Berlin entsandt. Wir wurden bald auf die Nummer 10 aufmerksam, ein schmächtiger Junge, in Österreich würden wir sagen: "a Zniachtl". Kays Ruiz-Atil, geboren in Lyon, familiäre Beziehungen nach Marokko, und trotz seiner 16 Jahre schon eine Seele des Spiels.

Die U19 von Hertha ist unter Michael Hartmann ein gut ausbalanciertes Ensemble mit systemisch eingehegter, aber nicht gelähmter Bolzplatzmentalität, gestern in einem klassischen 4-4-2. PSG ging in Führung, es gab unschöne Szenen bei einem Eckball, die Ostkurve war in diesem Fall ein kleiner Westwinkel, vor dem ein schwarzer Spieler aus Paris die Ecke treten musste. Ich weiß, dass es im Fußball auch immer darum geht, Gegner nicht nur zu schlagen, sondern auch zu verunglimpfen und sie bei Gelegenheit mit Bier zu überschütten. Aber muss man wirklich jugendliche Gäste so empfangen?

Aus dem Eckball wurde ein Tor, und ein ausgelassenes Jubelrudel direkt vor den Augen der Hertha-Ultras. In der zweiten Halbzeit spielte Hertha in die Richtung, in der wir auch standen, und nach einer Kombination über die linke Seite legte Jastrzembski für Krebs auf, und wenige Minuten vor dem Ende jagte Zografakis den Ball mit einem technisch feinen Weitschuss ins Ziel.

Krebs sieht man auf dem Bild, das mein Freund Ludger Blanke gemacht hat, auf dem Zaun. Es war ein toller Nachmittag zum Auftakt eines viel versprechenden Fußballfrühlings. Der FC Bayern lieferte dann wenige Stunden später dem Liverpool FC ein leidenschaftliches Duell, und nun bleibt vorerst nur zu wünschen, dass die Profis von der Hertha am Samstag in der Versicherungsarena in München auch einen Vorschein weiterer Möglichkeiten erkennen lassen. Mit Zungenbrechern wie Selke oder Duda oder Maier.

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