Das Prinzip Hoffnung

Der Arsenal FC muss heute nach Anderlecht, zum dritten Spiel in der Gruppenphase der "Champions League". Interessanterweise hat der Club aus London eine ähnliche Krise wie der andere Favorit in der Gruppe, der BVB. Es ist nicht ganz so schlimm, aber mit fünf Unentschieden aus acht Spielen (bei zwei Siegen und der Niederlage gegen Chelsea) hat Arsenal das Titelrennen mutmaßlich schon verspielt.

Am Samstag gab es im Emirates ein 2:2 gegen Hull City, die Mannschaft, gegen die Arsenal im Sommer das FA-Cup-Finale knapp gewonnen hatte. Das Spiel war frustrierend in vielerlei Hinsicht, man könnte es geradezu als Exempel dafür zeigen, wie im Fußball manchmal 90 Minuten vergehen, ohne dass das Spiel so richtig beginnt. Und dann hat man eben ein Ergebnis, das irgendwie zustande kam.

In diesem Fall so: Arsenal begann mehr oder weniger programmgemäß mit einem frühen Tor durch Alexis Sánchez, der sich auf dem rechten Flügel durchsetzte und einfach abzog. Der Chilene ist eine enorme Verstärkung, vor allem durch seine Leidenschaft. Er kann das ganze Team mitreißen. Ein Team, das am Samstag doch ein wenig improvisierten Charakter hatte, vor allem in der Defensive, wo Bellerin auf rechts einsprang, weil Chambers gesperrt war. Monreal vertrat den verletzten Koscielny neben Mertesacker.

Bellerin und Sánchez sind ein interessantes Paar, der junge Katalane zeigt sich äußerst vielversprechend. Er konnte aber dem merkwürdigen Spielverlauf auch nichts Entscheidendes entgegensetzen. Schon bald nach dem Führungstreffer glich Hull City durch Diame aus, wobei Mertesacker ihn nicht am Torschuss hinderte, weil er einen Pfiff erwartete. Der Referee pfiff aber nicht (es wäre angebracht gewesen, denn Diame riss Flamini im Laufduell nach hinten), und so ging die Sache von vorn los, nun aber ein wenig ernüchtert.

Und danach kam Arsenal über eine Stunde lang nicht mehr ins Spiel. Immer war irgendetwas, kurz nach der Pause ging Hull dann sogar noch in Führung, als Mertesacker sich bei einer Flanke so richtig ungeschickt verhielt. Der Rest verging mit der Suche nach Kombinationen, die immer wieder zu sehr auf "hopeful passes" (Adrian Clarke) beruhten. Also auf Pässen, die nicht klar waren, sondern ein wenig zu spekulativ, zu optimistisch oder einfach planlos.

Mit Wilshere auf der zentralen Özil-Position wird das Arsenal-Spiel einerseits dynamischer, vertikaler, es wird aber auch ziselierter, die Fersler und "flicks" nehmen zu, alles auf der Suche nach einem Durchstecker, den Danny Welbeck dann so verwerten kann, wie es ihm in der 90. Minute dann noch gelang, nach einem famosen Antritt von Sánchez. Damit war zumindest ein Punkt sichergestellt.

Arsenal geht es wie vielen anderen Teams auch in diesem Herbst. Die Mannschaft ist nicht in Rhythmus, jedesmal wieder soll die Saison nun endlich beginnen, und dann kommt wieder irgendetwas dazwischen. Die Formation wechselt ständig, bis auf die Konstanten Mertesacker und Welbeck. Von Rotation würde man sprechen, wenn einsatzfähige Spieler für spezifische Formationen ausgewählt werden. Doch bei Arsenal werden Woche für Woche Teams aus den verbliebenen Resten des Kaders gebildet.

An der Form von Alex Oxlade-Chamberlain kann man gut sehen, dass die hohe Flexibilität, die den Spielern bei Arsenal abverlangt wird, immer wieder zu erratischen Leistungen führt. Wenger lässt ja eine sehr offene Formation spielen, in der nach vorne alle überall auftauchen können. Das ergibt gelegentlich wunderbare Momente, kann aber eben auch nervend sein wie gegen Hull, wo Oxlade-Chamberlain kaum einen Pass an den Mann brachte.

Das Prinzip Hoffnung bezieht sich also momentan auf zwei Faktoren: auf die Entwicklung eines guten Zusammenspiels, und generell darauf, dass der Eindruck einer ungeheuren Fragmentierung des Spiels, den ich sowohl bei meinen beiden Lieblingsteams wie auch insgesamt habe, nur vorübergehend ist. Aber ich glaube, dass ich mich daran gewöhnen muss. Bezeichnenderweise war es unter Lucien Favre, als Hertha zuletzt eine Erstligasaison spielte, die einen großen Bogen hatte - mit der Antiklimax gegen Karlsruhe. Favre hat derzeit mit Gladbach wieder einmal den Bogen raus, zumindest für den Moment.

Die Verlaufsformen, die Arsenal unter Wenger vorlegt, sind im Grunde seit vielen Jahren bekannt. Überraschend ist nur, wie früh heuer die Luft draußen zu sein scheint. Das erlaubt allerdings eine andere Hoffnung: dass die Saison vielleicht wirklich erst so richtig beginnt. Das nächste Spiel ist immer der erste Test auf diesen Optimismus.

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