Der Arsenal FC hatte zuletzt zwei Mal den Termin Sontagabend, 20.15. Und auch wenn in England dabei niemand an den Tatort denkt, ging es dabei auch um Schuldfragen. Whodunit? Gestern gegen Burnley war die Sache leicht aufzuklären: Granit Xhaka ließ sich nach einem taktischen Foul, das er selbst beging, so provozieren, dass er McNeil an die Gurgel ging. Der Referee hätte es mit einer gelben Karte bewenden lassen, aber in Zeiten des VAR gibt es für so etwas kein Pardon: Xhaka musste vom Platz.
Arsenal hatte bis zu diesem Zeitpunkt dominiert, aber Burnley hatte alle Chancen irgendwie vereitelt. Bald darauf verursachte Aubameyang nach einem Corner das einzige Tor des Spiels: ein Eigentor. Endstand: 0:1. Es war die dritten Niederlage für das Team von Mikel Arteta hintereinander, die vierte Heimniederlage in Serie, und die siebte in zwölf Spielen in dieser bisherigen Premier League-Saison. Knapp ein Jahr nach seiner Bestellung ist Mikel Arteta massiv angezählt. Und am Mittwoch geht es schon weiter gegen Southampton, am Samstag auswärts gegen Everton.
Die Gründe für die Krise sind nicht leicht zu eruieren. Arsenal kam ganz gut in die Saison, in den ersten vier Spielen gab es drei Siege und eine Niederlage beim FC Liverpool. Allerdings fiel schon gegen Westham und Sheffield auf, dass die Mannschaft ein wenig schwergängig wirkte. Sie spielte ohne Tempo und Inspiration, es gab wenige Chancen aus dem Spiel heraus. Standardsituation sind auch unter Arteta zum Vergessen.
Das Heimspiel gegen Leicester brachte dann die erste Demütigung, eine bittere Niederlage durch einen makellos aufgegangenen Matchplan von Brendan Rodgers, der die Harmlosigkeit der Gunners mehr oder weniger einkalkuliert hatte und schließlich Jamie Vardy brachte, der das entscheidende Tor machte. Das Derby gegen Tottenham vor einer Woche wird schließlich als ultimativer Mourinho-Sieg in die Geschichte eingehen: zynischer hat selbst der Tullius Destructivus des Fußballs nie gewonnen, 90 Minuten ließ Tottenham die Gunners gegen einen massiven Block prellen, zweimal federten sie mit dem großartigen Duo Kane und Son zurück, das reichte.
Dass Xhaka gestern der Sündenbock wurde, ist bezeichnend. Denn eigentlich hatte Arteta den meistgehassten Spieler im Kader ja schon rehabilitiert. Xhaka war vor einem Jahr bei Arsenal am Ende, er wurde Hertha angeboten, spielte sich dann aber mit einem heroischen Auftritt bei einer unglücklichen Niederlage gegen Chelsea im letzten Winter zurück in das Establishment. Sein Problem sehe ich vor allem darin, dass er im Ligaalltag sehr oft in einen gemütlichen Trab zurückfällt. Er spielt dann unproduktiv und lähmt die Mannschaft damit an einem neuralgischen Punkt, sieht sich aber immer noch als Führungsspieler. Unabhängig von dem Moment gestern wird Arsenal nicht vorankommen, solange Xhaka nicht endgültig überwunden ist.
Dabei hatte Arsenal selbst dieses Problem im Sommer ja adressiert. Die wichtigste Verpflichtung war Thomas Partey von Atletico Madrid, der sein Potential auch schon zeigte: Anfang November gewann Arsenal in Old Trafford mit 1:0 gegen Manchester United. Grundlage des Siegs war eine äußerst homogene taktische Mannschaftsleistung, basierend auf dem exzellent harmonierenden Mittelfeldduo Partey und Elneny. Inzwischen ist Partey allerdings verletzt, gegen Tottenham holte Arteta ihn zu früh zurück, beim vorentscheidenden zweiten Konter humpelte Partey mit erneuter Muskelverletzung ohnmächtig nebenher.
Angesichts der Probleme wirkt es grotesk, dass Willian, ein weiterer Reizspieler, kürzlich in einem Interview erzählte, dass er bei Arsenal nur deswegen einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat, weil Arteta ihm einen Dreijahresplan unterbreitet hatte: im ersten Jahr Qualifikation für die Champions League, im dritten Jahr dann der Titel. Willian ist 32, kam von Chelsea (ist also nach Luiz der nächste "Chelsea reject", der Arsenal nicht wirklich weiterhilft), und suchte wohl vor allem einen gut dotierten Altersvertrag. Nun blockiert er gemeinsam mit Pepe, von dem ich mir bei Arsenal nichts mehr erwarte, die rechte Offensivposition, ohne nennenswerte Beiträge. Gestern war er immerhin Teil einer deutlich dynamischeren Mannschaft.
Im Sommer warteten alle Fans vor allem auf eine Vertragsverlängerung von Aubameyang. Der Talisman ist aber in dieser Saison ein Schatten seiner selbst, er wurde lange Zeit auch kaum in chancenreiche Situationen gebracht, und nimmt die Torflaute meist mit einem "smirk" hin, einem ohnmächtigen Lächeln. Er hat nun noch drei Jahre Vertrag, wird wie Willian am Ende 35 sein. Ob er noch einmal zu alter Form zurückkommt? Die Leistung gegen Burnley gestern war im Grunde ein erster Schritt, trotz des Eigentors.
Im Hintergrund schwelt wohl auch die Angelegenheit von Mesut Özil weiter. Der aussortierte Superstar ist ja weiterhin präsent, er ist nicht vom Training freigestellt, alle hoffen nun, dass er im Winter vielleicht endlich zu einem Wechsel bereit ist.
Das Spiel gegen Southampton am Mittwoch ist auch deswegen hoch spannend, weil Ralph Hasenhüttl sich als einer der interessantesten Trainer in der Premier League erwiesen hat. Er wäre vielleicht schon bald ein Kandidat für Arsenal, wo Arteta meiner Meinung nach noch nicht auf der Kippe steht. Aber jetzt kommen drei schwere Spiele, und die Mannschaft erweckt nicht den Eindruck, dass sie wirklich die Mentalität hätte, sich aus der Krise zu befreien. Arteta hat inzwischen auch schon einige Probleme aufgehäuft, er hat weder die beste Position für Aubameyang gefunden (ich meine, er sollte weiterhin von links kommen, und Saka über rechtsaußen), noch ist die Variante mit Lacazette als "spielmachender zweiter Mittelstürmer" wirklich sinnvoll. Maitland-Niles wäre eine Option für das defensive Mittelfeld, das scheint Arteta aber nicht in Erwägung zu ziehen.
Im Moment ist die Lage wirklich so verzwickt, dass im Grunde nur ein Trost hilft: das nächste Spiel ist schon übermorgen.
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Kommentar von Jörg Ossenkopp |
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