Jetzt stehen wir natürlich vor einer kniffligen Frage. War es das wert? Dass Hertha vor ein paar Wochen einigermaßen unnötig gegen Bröndby IF die Qualifikation für die Europa League verspielt hat, wurde ja schon im Vorfeld recht unverhohlen als Faktor für das Spiel gegen Schalke 04 benannt. Die haben letzte Woche dort gespielt. Deswegen fand das Ligaspiel am Sonntagabend statt, und Hertha BSC hat es gewonnen. Durch Tore in der zweiten Halbzeit. Da wurde Schalke nämlich endgültig müde.
Im Sinne einer gedeihlichen Entwicklung, auf die wir gerade wieder einmal zu hoffen beginnen, würde ich beinahe sagen: Ja, das war es wert. Leider waren nicht einmal 50000 Leute ins Olympiastadion gekommen, alle anderen waren also nicht live dabei, als die Mannschaft einen der schönsten Heimsiege seit Jahren erarbeitete.
Ich musste dabei nicht so sehr an das Spiel in vergangenen Frühling denken, sondern an eines vor fast genau zehn Jahren: damals gewann Hertha auch mit 2:0, durch zwei Treffer von Christian Gimenez. Spielmacher war damals Yildiray Bastürk, im Mittelfeld von Hertha spielte Pal Dardai neben Kevin-Prince Boateng, und die Gelsenkirchner wechselten nach einer Stunde einen jungen Star namens Mesut Özil ein. Damals war die Rede vom Umschalten noch nicht in aller Munde, es wurde aber genau das gespielt.
Damals galt Hertha auch noch relativ ungebrochen als eine Spitzenmannschaft in der Liga. Derzeit ist das eher unklar, trotz Platz 7 im Vorjahr. Jedes Spiel ist eine neue Standortbestimmung, wieder einmal geht es darum, sich zu etablieren mit einer "kleinen, fleißigen Mannschaft" (Pal Dardai). Tatsächlich kann man das Spiel von gestern auch von außen betrachten, nämlich unter dem Aspekt des großen Jahresthemas "Wird der FC Bayern jemals wieder seriöse Konkurrenz bekommen?". Diesbezüglich wird man selbstverständlich bei einer gewissen Skepsis bleiben.
Ein unbefangener Beobachter (neben mir saß ein Besucher aus Washington, DC) wird lange Zeit vor allem ein umkämpftes, kaum einmal aber spielerisch hochklassiges Match gesehen haben. Hertha hatte einen Matchplan, der nicht sonderlich spezifisch ist, sondern als ein Pal-Klassiker gelten kann: hinten hinaus wird bekanntlich der Platz größer, dann muss noch Kraft da sein.
Trotzdem hatte das natürlich schon echte Qualität, was die Mannschaft da hinein legte, mit Stark neben Langkamp, und mit Skjelbred wieder im Mittelfeld. Im Detail gab es auch Andeutungen feiner, technischer Lösungen. Und in der zweiten Halbzeit waren Pekarik und Skjelbred dann eben präsent, als sich Möglichkeiten boten, zwei Balleroberungen erbrachten zwei schnelle Manöver mit erfolgreichem Torabschluss.
Mitchell Weiser darf man hervorheben, mir gefiel vor allem, als ich spätnachts noch Fernsehbilder sah, der Moment, in dem er ganz kurz nach Stocker Ausschau hält, als er den Ball von Skelbred nach vorn gespielt bekommt, und dann schlägt er einen Traumpass, den der Schweizer gekonnt verwertete.
Das war eines dieser Tore, das einen vom Sitz reißt, weil sich da etwas entlädt: eine ganze Stunde hartnäckiger Gegnerbearbeitung in eine einzige Bewegung. Schon am Mittwoch geht Hertha im Süden auf Lederhosenjagd. Das wird dann eine weitere Momentaufnahme. Unabhängig davon aber gilt, dass es der Mannschaft und den Betreuern gelungen ist, der Saison früh einen positiven Akzent zu geben. Die Betonung der Fitness wissen wir aber natürlich auch als Warnsignal zu lesen. Im Vorjahr reichte der hervorragende physische Zustand nur für zwei Drittel der Saison.
Doch da wird sich das Wesentliche weisen, wenn es dran ist. Für jetzt gilt: Hertha BSC reitet auf einer Welle nach München.
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