Der Gott der kleinen Dinge

Das torlose Remis von Arsenal am Sonntag bei Stoke sagt viel über den gegenwärtigen Zustand der Premier League aus. In Deutschland gibt es ja so eine verhaltene, aber doch deutliche Propaganda gegen die global attraktivste Liga der Welt: Sie wäre zwar bei den Fernseheinnahmen weit enteilt, aber bei der Qualität hapere es doch deutlich. Und dann kommt gern noch so etwas wie: Ein Verein wie Crystal Palace (oder West Ham United, oder eben Stoke City) bekäme aus der TV-Verwertung mehr Geld als der FC Bayern. Was soll das denn!

Arsenal musste in Stoke ohne Mesut Özil spielen, von dem eine leichte Fußverletzung vermeldet wurde. Die Belastung des wichtigsten Arsenal-Spielers in der laufenden Saison wird, zweifellos nun, da eine ungeheuer intensive Phase beginnt, noch ein großes Thema werden. Arsenal muss im Februar gegen Barcelona in der "Champions League" spielen, und im Mai steht in der vorletzten Runde ein Auswärtssspiel bei Manchester City an, das nach dem gegenwärtigen Trend in der Premier League vielleicht ein Entscheidungsspiel um den Titel werden könnte.

Gegen Stoke wurde Özil von Alex Oxlade-Chamberlain vertreten, de facto aber von einer flexiblen Mittelfeldformation, die häufig auch Aaron Ramsey in einer vorgerückten Rolle sah. Joel Campbell und Walcott zogen an die Sechzehnerecke, was vor allem rechts gut damit begründbar ist, dass Bellerin weiterhin sehr dynamisch an die Grundlinie strebt. Giroud spielte eher eine hängende Spitze, kam aber zweimal sehr gut zum Abschluss. Arsenal hatte leichte Vorteile, aber eigentlich war kein grundlegender Unterschied zwischen dem Topteam und dem notorisch unangenehmen Team von Stoke zu erkennen.

Die Qualität des Spiels war denn auch eine, die man typischerweise mit dem Fußball von der Insel assoziiert: enorme Leidenschaft, aufopferungsvolle Zweikämpfe, und rasantes Hin und Her, allerdings meist nur bis zum Sechzehner. Beide Formationen hielten dicht, wobei der Schiedsrichter an einer Stelle auch Elfmeter hätte geben können, denn Walcott wurde von Wollscheid unfair gestoppt. Der deutsche Legionär hatte einen schwierigen Tag und profitierte davon, dass der eigentlich gute Referee in einer wichtigen Phase ungefähr zehn Minuten lang zu viel laufen ließ.

Stoke beherrscht eine Form der Raumaufteilung, die es fast jeder Mannschaft schwer machen würde, Tempo ins Spiel zu bringen und Lücken zu finden. Mit Spielern wie Arnautovic, Bojan oder Joselu ist zwar auch offensiv viel möglich, das Charakteristikum des Spiels waren aber für mich eine ganze Reihe von Duellen an der Stoke-Grundlinie, bei denen Campbell oder Bellerin versuchten, einen verloren gehenden Ball noch zu holen, behindert von den körperlich natürlich starken Gegnern wie Pieters oder dem eingewechselten Mame Diouf, der fast ausschließlich in der Defensive gebraucht wurde.

Özil ist in solchen Begegnungen der Mann, der die ungewöhnlichen Dinge macht. Meist sind es kleine Dinge, die Qualität addiert sich dabei allmählich, wobei sich in dieser Saison seine Stilistik so markant ausgeprägt hat, dass man fast schon von einem Alleinstellungsmerkmal sprechen kann: denn dieses Bild von den Fäden, die er zieht, bis sich der Gegner im Netz verfängt, bis das Zulaufen einfach nicht mehr funktioniert, ist tatsächlich zutreffend. Gegen Stoke fiel das umso mehr auf, als Oxlade-Chamberlain sich in Ansätzen mit ähnlichen Versuchen zu erkennen gab, seine Passqualität war allerdings dürftig. Ramsey ist der einzige, der in dieser Hinsicht ein bisschen an die Qualität von Özil heranreicht. Vermutlich wäre es klüger gewesen, Ramsey deutlicher auf die Zehn zu verpflichten, aber die schlechten Pässe des "Ox" kamen häufig aus der Achterrolle.

Gegen Chelsea am kommenden Sonntag soll der "Gott der kleinen Dinge" wieder dabei sein, vielleicht auch Alexis Sanchez. Vielleicht auch schon Mohamed Elneny, der neue defensive Mittelfeldspieler. Ich bin ein großer Fan von Mathieu Flamini, aber es ist klar, dass auf seiner Position mehr möglich ist. Auch mehr, als Coquelin kann, der derzeit verletzt ist.

In den letzten Jahren hat Arsenal sich bei Stoke auch gelegentlich blamiert, insofern war der Punkt am Sonntag letztlich in Ordnung. Ein Statement aber wäre es gewesen, wenn die Mannschaft diesen besonders ungeliebten Gegner auch ohne Özil geschlagen hätte. Dazu kam es nicht, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass die Premier League in diesem Jahr so ausgeglichen ist wie lange nicht mehr. Das ist ein Indiz für generelle Qualität gerade auch im sehr umfangreichen Mittelfeld, deutet aber andererseits aber darauf hin, dass die Spitzenclubs nicht wirklich optimal arbeiten.

Wenn Stoke so weitermacht, und Hertha auch, dann könnte es im kommenden Jahr vielleicht zu einem Vergleich dieser beiden Teams kommen. Das wäre für mich ein echter Höhepunkt: Ich würde mir sehr gern Arsenal einmal in Stoke-on-Trent ansehen, ein Europapokalspiel wäre aber natürlich ein Hammer. Ich eile den Dingen voraus, aber nur, weil ich es kaum erwarten kann, dass ab Samstag auch in Deutschland wieder gespielt wird.

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Kommentare

Kommentar von sternburg |

"Ich hol mal das Collinas-Erben-Angeber-Wissen raus: Man kann Stegemann in der Szene viel vorwerfen (wenn man denn will), aber Inkonsequenz gehört nicht dazu. Das war kein Vorteil. Er hat das nicht als Foul bewertet. Vorteil im Strafraum anstelle eines Strafstoßes macht man nur in absoluten Ausnahmefüllen. Wenn überhaupt. Das hier war sicher kein solcher. Der Ball springt eher zufüllig zu Kalou, dessen Schuss auch noch von Naldo(?) ins Tor gelenkt wird, während Casteels sonst eine recht ordentliche Chance gehabt hätte, den zu parieren. Da braucht es schon prophetische Gaben, um diesen Ablauf vorauszusehen. Auch wenn es am Ende zu einem Tor führte (und selbst aus der Perspektive einiger Sekunden zuwartens): Der Elfmeter wäre die bessere Torchance gewesen. Im übrigen habe auch ich persönlich da kein Foul von Stegemann gesehen. Das Laufen zu lassen war für mich genau richtig. Zitat (Wieso ist hier eigentlich kein HTML erlaubt?) ""Es waren aber ohnehin nur 40.000 da (...): Wer will schon den VfL Wolfsburg sehen?"" Das ist, mit Verlaub, bemerkenswert larmoyant. Gehen sie mal davon aus, junger Mann, wenn Gladbach als Tabellendritter gegen den VfL Wolfsburg spielt, dann ist die Bude ausverkauft (selbst wenn sie 74k fassen würde). Die Hertha spielt eine tolle Saison, es kommt ein unmittelbarer Gegner um die CL. Der aber strauchelt und gerade auswärts unfassbar schlecht ist (ernsthaft: Ich hab 1:0 getippt) und den man auch allgemein nicht mag, dem endlich eine reinzuwürgen also eher zusätzlicher Ansporn sein sollte. Und es kommen trotzdem deutlich weniger als 1% der Einwohner der engeren Metropolregion. Statt Anlass zur Häme sollte einem das zu denken geben.

Kommentar von marxelinho1892 |

Wer will schon den VfL Wolfsburg sehen? Larmoyant war diese Frage nicht gemeint. Hertha hat in Berlin sicher ein Mobilisierungsproblem, die Gründe dürften vielschichtig sein, ich weiß es ja selbst gut genug, wie tief die Unbill der Fahrstuhljahre noch in den Knochen steckt. Der Vergleich mit Gladbach führt in die richtige Richtung: Es wird noch einiger Jahre der Traditionsbildung bedürfen, bis Hertha ein Publikum so weit konsolidiert hat, dass es aus Prinzip und ohne auf den Gegner zu schauen zu den Spielen kommt. Unabhängig davon halte ich den VfL Wolfsburg, ganz unlarmoyant, für eine uninteressante Mannschaft, die ich mir allenfalls gegen Hertha anschauen mag. Selbst ein Max Kruse, den ich bei Gladbach geliebt habe, spielt eine öde Saison (mit der Ausnahme seines wunderbaren Passes auf Kevin De Bruyne im allerersten Saisonspiel). Selbstverständlich gehört ein Team aus dieser so besonders deutschen Stadt in die Liga, aber ich habe doch Verständnis für die vielen, die sich deswegen nicht ins Stadion bemühen. Lieber ein paar Spiele mit 40000, als einen Auftrieb der Schönwetterfans.

Kommentar von sternburg |

Ich behaupte mal ganz frei und rein anekdotisch belegbar, das Mobilisierungsproblem der Hertha liegt weniger in den Fahrstuhljahren beGründet als im - mit Verlaub - begrenzten Charme derjenigen, die man in diesem Stadion so antrifft. Und das sage ich in vollem Bewusstsein darüber, dass ich selber im engeren Kreis der Hertha-Fans einige Leute früher gekannt und sehr geschützt habe (Krischa! Luudwig! Schmuddel !einself). Eine der geilsten Auswärtsfahrten meiner früheren Fanjahre war ein Hertha-Sonderzug nach Gladbach. Sambawagen FTW! Aber trotzdem. Sag mal, warum fragt Dein Blog eigentlich nach meiner Website, wenn das dann nicht angezeigt wird? Ich kommentiere hier doch bloß für den Fame. Dass die Vorschau einem eine ordentliche Formatierung mit Leerzeilen und so vorgaugelt, die dann aber nicht umgesetzt werden, finde ich auch schade. Warum eigentlich? Ich frage wirklich aus Interesse. Das ist ja schon irgendwie Wordpress, oder? Grundsätzlich finde ich nämlich eine Vorschau-Funktion total dufte und mag Dein Blog überhaupt. Lass Dich bloß nicht von irgendwelchen Spinnern wie mir entmutigen, die hier 1x kurz vorbeischauen und irgendeinen Scheiß erzählen. :)

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