"Staan nog in Mykonos", twitterte Johnny Heitinga vor drei Tagen aus dem Urlaub. Jetzt ist er zurück, und er ist auch schon dort angekommen, wo er seinen neuen Arbeitsplatz hat. In Berlin bei Hertha wird er für zwei Jahre den Kader verstärken, vielleicht sogar länger. Er wird im November 31, hat also noch ein paar starke aktive Jahre vor sich, wenn alles gut geht. Ein anderes Kaliber als Mijatovic ist das auf jeden Fall, um einen vergleichbaren Namen zu nennen, mit dem Hertha es unter Markus Babbel mit der Konsolidierung in Liga eins probierte.
Die Bedenken, die ich am Sonntag zum Beispiel im Amateurstadion vernahm, gehen in eine Richtung: Wird so ein Spieler, der 2010 im WM-Finale spielte und aus der Premier League kommt, nicht das Gefüge im Kader durcheinanderbringen? Ist er nicht, um es auf den Punkt zu bringen, eine Nummer zu groß - und dabei vielleicht auch schon ein bisschen zu weit vorgerückt in der Karriere?
Da müssen wir wohl auf Jos Luhukay vertrauen, der sicher das eine oder andere Gespräch geführt haben wird. Ich denke, er sieht die Sache ähnlich, allerdings unter positiven Vorzeichen. Hertha kann gut einen Mann gebrauchen, der ein wenig anders gestrickt ist als Lustenberger oder Langkamp, der aber auch schon über mehr Erfahrung verfügt als Brooks.
Was mich vor allem für Heitinga einnimmt, ist seine Geschichte bei Everton. 2012 war er dort Player of the Year, was einiges heißen will bei einem Team, das unter David Moyes als eines der besten Kollektive der Premier League ständig am oberen Rand der vorgegebenen Möglichkeiten spielte. Wenn man sich die Leistungsdaten dieses Jahres ansieht, dann geht daraus auch eine gewisse Polyvalenz hervor. Heitinga spielte links, seltener rechts in der Innenverteidigung, zwischendurch auch im defensiven Mittelfeld.
Als Moyes 2013 zu Manchester United ging, und Roberto Martinez die Toffees übernahm, ging das mit einem Bruch in der Karriere von Heitinga einher. Er war nun deutlich zweite Wahl, hatte hinter Distin und Jagielka überwiegend das Nachsehen, und entschloss sich vergangenen Winter, wohl auch mit Blick auf die bevorstehende WM, zu Fulham zu wechseln, um wieder spielen zu können. Er kam damit aber in einen Club, der eine chaotische Saison hatte. Rene Meulensteen, der Heitinga holte, wurde bald durch Felix Magath ersetzt. Fulham schaffte den Klassenerhalt nicht.
Nun war Heitinga ein "freier Agent". Dass er sich für Hertha entschied, und nicht schon für einen Geldscheffelvertrag, zeugt von dem Ethos, das ich von ihm auch bei Everton gesehen habe. Ich denke, es könnte eine Schlüsselpersonalie für die Entwicklung von Hertha sein. In der Kabine gibt es nun einen Spieler, der wirklich etwas anderes gesehen hat, der einen Horizont aufmachen kann, den die vielen Luhukay-Adepten mit Vergangenheiten in Augsburg, Düsseldorf oder Mönchengladbach nicht einmal im Ansatz kennen.
Für Luhukay wird die Zusammenarbeit mit seinem Landsmann eine Gelegenheit sein, der Mannschaft eine neue Hierarchie zu geben, die zwar weiterhin flach sein dürfte, und doch zeigt sich in Ansätzen eine andere Konturierung. Das interessanteste Indiz dafür ist übrigens, dass der Platz des Kapitäns nach der Verpflichtung von Heitinga noch ein wenig unklarer geworden ist. Fabian Lustenberger hat im Moment nicht wirklich eine angestammte Position. Ihn rechts neben Heitinga in der Innenverteidigung zu bringen, ist nicht undenkbar, dagegen spricht allerdings beider Körpergröße (1,80).
Für John Brooks könnte Heitinga ein Glücksfall sein. Wenn der US-Berliner denn bleibt, müsste er sich der Gelegenheit stellen, bei einem absoluten Routinier in die Schule zu gehen, dem er allerdings am Spieltag auch meistens den Vortritt geben würde müssen. Ob Brooks dafür die Geduld aufbringt? Ob Luhukay ihm das so vermitteln kann?
Die Verpflichtung von Heitinga ist ein starkes Statement, mit dem Luhukay sich als prägender Holländer für Hertha erweist. Gänzlich friktionsfrei wird sich so ein Mann nicht integrieren lassen, aber war das nicht sowieso schon ein bisschen ein Problem zuletzt bei Hertha, dass dem Kader die Spannung fehlte? Dass Luhukay kaum noch variieren konnte, weil es kaum einen Unterschied machte, wen er brachte?
Die Teileigentümer und Sponsoren werden es auch gern sehen, dass Hertha BSC nun einen ziemlichen Star in seinen Reihen hat. In den digitalen Netzwerken, deren Kanäle man bei Hertha neuerdings mit Eifer bespielt, schlägt sich das schon nieder. Auch ich habe John Heitinga, wie er sich nun postberufsjugendlich nennt, gleich abonniert.
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Kommentar von Der Wiener |
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