Die Sicherung der Lernerfolge

Die englische Woche hat bei mir nicht gut in den Kalender gepasst. Am Mittwochabend hatte ich die vergnügliche Verpflichtung, der Verleihung des Jean-Améry-Preises für Essayistik beizuwohnen, dabei war es zwar möglich, zwischendurch auf das Telefon zu lugen, aber mehr als die Zwischenstände war nicht zu haben. Und die Gespräche erwiesen sich als so interessant, dass ich zu spät nach Hause kam, um das Spiel von Hertha gegen Eintracht Frankfurt noch am selben Abend nachzuholen. Das habe ich dann am Donnerstag in zwei Etappen getan, meine Eindrücke sind also fragmentierter als sonst.

Zuerst einmal wartete ich natürlich auf die frühe Szene mit Darida, von der ich schon viel gelesen hatte. Das ist ja etwas, was bei der aktuellen Hertha fast schon routiniert vorkommt, einer der zentralen Mittelfeldspieler bietet sich bei Spieleröffnung Hertha zentral hinten an, selten für eine Weiterleitung nach vorn, meist nur, um sich anlaufen zu lassen, der Ball geht dann zurück zu Jarstein oder zu einem der beiden Innenverteidiger, die in solchen Momenten außen stehen, an der Stelle der aufgerückten Fullbacks.

Technisch muss da alles sauber sein, sonst kommt man in so einem Moment schnell einmal in Bedrängnis. Darida hatte Probleme bei der Ballverarbeitung, der Platz war in dem Fall gar nicht so sehr ein Faktor, Fabian wäre weggewesen, für das Foul bekam Darida nur eine gelbe Karte. Spontan hätte ich auch gesagt, dass Stark wohl noch eingreifen hätte können, wenngleich wahrscheinlich nicht wirksam. Jedenfalls hatte Hertha da einiges Glück.

Darida spielte weiter hinten als gewohnt, weil Lustenberger nur Ersatz war, und auch auf der Bank blieb, stattdessen durfte sich in der zweiten Halbzeit Cigerci wieder einmal im defensiven Mittelfeld respektive als Schaltspieler versuchen. Prompt leitete er den zweiten Treffer ein, durch einen Kopfball auf Kalou. Hertha gewann 2:0, und man kann nun sagen: ohne wirklich zu überzeugen, oder aber: trotz aller Widrigkeiten war der Sieg eine klare, wenngleich extrem nüchterne Angelegenheit.

Dass eine Mannschaft, die noch so offensichtlich mit der Sicherung ihrer Lernerfolge beschäftigt ist, auf Platz 3 stehen kann, stellt der Liga allerdings kein gutes Zeugnis aus. Hertha hat sich in diese Rückrunde hineingearbeitet, auf der nahezu überall im Land tiefes Terrain herrscht: zahlreiche holprige Rasen stehen dem Fußballstandort Deutschland nicht gut an. Nach den sechs "dreckigen" Punkten gegen Köln und Frankfurt sind die Voraussetzungen schon deutlich besser, mit Selbstbewusstsein weiterzumachen. Punkte sind nun einmal die einzige Währung, in die sich Lernerfolge sinnvoll umrechnen lassen.

Dabei zeigt sich, dass Salomon Kalou zu dem Spieler geworden ist, auf den man vor zwei Jahren bei seiner Verpflichtung gehofft hatte (und auf den wir ein ganzes, merkwürdiges Jahr lang hatten warten müssen): Er spielt seine offensichtliche Weltklasse zwar dosiert aus, macht aber nahezu immer den Unterschied. Er führt den Ball, er findet Lücken, er kombiniert oft erst dann, wenn es wirklich darauf ankommt, er geht in den Strafraum. Gemeinsam mit dem ebenfalls exzellenten Mitchell Weiser zählt Kalou zu den Spielern, die Herthas Ansprüche auf einen Platz im ersten Drittel rechtfertigen.

Ibisevic hingegen wirkt ein wenig erschöpft, wird aber sicher weiterhin das Vertrauen bekommen. Das Gleiche gilt für Darida. Im Mittelfeld ist aber jetzt doch die Konkurrenz ein wenig offener geworden, zumal sich das 4-4-2 mit Kalou als Zehner als eine Formation erweist, die vielleicht in den kommenden Spielen durch ein flexibleres 4-3-3 ersetzt werden könnte.

Nun geht es nach Hamburg, bevor die direkten Duelle beginnen: Schalke 04. Eine Phantasie begleitet mich dabei: Irgendwann könnte Hertha so ausreichend gearbeitet haben, dass sie endlich zu spielen beginnen kann. Aber das ist natürlich ein Trugbild. Das Spiel ist immer nur die momenthafte Krönung harter Arbeit, und so können wir auch Kalous Tor wie ein Sinnbild dieser Wahrheit nehmen: Brooks gewinnt einen Kopfball, Cigerci auch, und dann ist Platz, Kalou versetzt Zambrano, zwei athletische Momente gehen in eine fließende Bewegung über, der Abschluss ist elegant. Der Frühling steht vor der Tür, die Zeit des schönen Wetters könnte auch eine Zeit des schönen Fußballs werden.

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