Die Ursachen sind drei Stück

Nach dem Entscheidungsspiel von Gelsenkirchen 1973 gab es in meinem Leben mit der österreichischen Fußballnationalmannschaft noch einen großen Moment: Das Spiel gegen die DDR am 15. November 1989 im Praterstadion in Wien. Eigentlich müsste man erwarten, dass dazwischen noch ein Ereignis zu erwähnen wäre: Die WM 1978, mit dem Sieg gegen Deutschland in Cordoba. Aber das fiel bei mir in eine blöde Zeit, ich war gerade ins Internat gekommen, und schwankte damals so ein bisschen, ob ich nicht ein Snob werden sollte, der sich für Fußball zu gut war. Das 3:2 mit dem "I wer narrisch" von Edi Finger habe ich dann aber doch gesehen, und ich habe mich auch gefreut, aber es war kein einschneidendes Erlebnis.

Von den drei Toren von Toni Polster gegen die DDR weiß ich hingegen noch, wo wir standen im Stadion: Es war ein Spiel, das im Zeichen historischer Veränderungen stand - die DDR spielte quasi unter dem Vorbehalt, der ein Jahr später mit der Wiedervereinigung aufgehoben wurde, und die DDR gleich mit dazu.

Es gibt eine großartige Zusammenfassung dieses Abends. In den Interviews tauchen Matthias Sammer ("Die Ursachen für die Niederlage, das sind drei Stück") und Ede Geyer auf, vor allem aber die Österreicher: der legendär coole Trainer Josef "Pepi" Hickersberger, dann Toni Polster mit einer ungeheuerlichen Frisur (die er nach Deutschland mitnahm, wo er später spielte), und ganz zum Ende noch der Keeper Klaus Lindenberger, der die ganzen 1980er Jahre hindurch für den LASK gespielte hatte, den ersten Club in meinem Leben. 1989 war er gerade bei Swarowski Tirol, heute ist er Torwarttrainer der österreichischen Nationalmannschaft.


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In Italien kam Österreich 1990 über die Vorrunde nicht hinaus, den Titel holten natürlich die Deutschen mit Franz Beckenbauer. Seine großspurigen Aussagen spielten sicher eine Rolle in meinem anfänglichen Lafontainismus - ich hatte Schwierigkeiten, die Wiedervereinigung zu akzeptieren, nicht zuletzt, weil ich durch den Fußball zu der Hälfte der Österreicher gehörte, die dem großen Nachbarn die Erfolge nicht gönnten. Bis heute trage ich diese Konditionierung in mir, die ich hundermal durchschauen kann, aber nicht los werde.

Das Spiel gegen Ungarn, mit dem Österreich heute in die EURO einsteigt, kann man durchaus auch unter bestimmten Vorzeichen sehen: denn dem Schweizer Trainer Marcel Koller schlugen anfangs auch nationalistische Ressentiments entgegen. Gegen eine ungarische Nationalmannschaft, auf die der Chauvinist Orban große Stücke hält, setzt sich aber hoffentlich doch ein Österreich durch, das in seinem Fußballteam viele Tugenden feiern könnte, mit denen etwas anzufangen ist: internationale Vernetzung, kulturelle Diversität, professionelle Arbeit, Hintanstellung von Selbstmitleid und Größenwahn.

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