Die Zukunft der Ankunft

Wenn ein Fußballverein in eine andere Liga muss (oder darf), dann muss er erst einmal ankommen. Manchmal dauert eine solche Ankunft länger als die Saison. Im schlimmsten Fall gibt es dann Durchreiche nach unten, im besten Fall einen Wiederaufstieg und eine verlegene Geste: war was? Hertha BSC musste vergangenen Sommer hinunter in Liga zwei, unter teils traumatischen Umständen (der Lizenzverlust war eine sehr reale Möglichkeit). Und natürlich will ein Absteiger in der niedrigeren Spielklasse nicht wirklich ankommen. Schon gar nicht so wie der HSV.

Trotzdem würde ich sagen: Heute ist Hertha BSC in der 2. Bundesliga angekommen. Acht von 34 Spielen sind noch zu bestreiten, es ist also schon der Großteil absolviert. Platz 3 ist theoretisch noch erreichbar, besonders realistisch allerdings ist das nicht. Die Saison war bisher geprägt von einem eigentümlichen Enthusiasmus, von Fanseite in erster Linie. Aber auch das Spiel der sehr häufig wechselnden Formationen hatte oft ein Element von Übersprungshandlung: wo Konkurrenten sich über die Grundtugenden zu finden versuchten, spielte Hertha oft schon beim zweiten Pass in der Spieleröffnung direkt Ablegen und Hacke-Spitze. Das kam natürlich auch aus einer Verlegenheit, denn einen echten Plan für den Aufbau und die Überbrückung des mittleren Drittels gab es kaum.

Und auch nicht die Leute: Kempf entweder mit utopischen Pässen, oder er lief sich im Mittelfeld irgendwo fest; Leistner war ohnehin eher der Typ humorloser Klärer; Bochalakis verteilte Bälle, wenn, dann zur Seite oder zum Gegner; Barkok blieb auch weitgehend unproduktiv. Am ehesten ergab noch die Kombination Marton Dardai und Pascal Klemens eine Doppelsechs, die ihrer eigentlichen Funktion (defensive Absicherung in Spieleröffnung zu verwandeln) Aspekte abgewinnen konnte.

So taumelte Hertha durch die Saison, oft war es belebend, ihr zuzusehen. Aber den Eindruck professionellen Fußballs, im Sinne eines Interesses an Spielkontrolle als Voraussetzung für Kreativität, gab es nicht allzu oft. Das Auswärtsspiel in Magdeburg, das nur knapp nicht in den Tie Break ging, bleibt der Meilenstein für das enthusiastische "Übergangsjahr" von Hertha BSC in Liga zwei, dem wohl ein weiteres in derselben folgen wird. Heute gegen Schalke 04 sah es eine Halbzeit lang aus, als könnte sich der offene Schlagabtausch von Magdeburg im Oly wiederholen. 3:2 führte Hertha zur Pause, zweimal war Gelsenkirchen mehr oder weniger zu einem Torerfolg spaziert.

Das Spiel endete aber 5:2. Und irgendwie hatte man das zur Pause auch schon spüren können. Denn es war eine andere Formation, die Pal Dardai heute ausgewählt hatte. Ich würde sie die Handtuch-Formation nennen: Hertha hat, was den Relegationsplatz anlangt. inoffiziell das Handtuch geworfen. Und spielt nun schon für die kommende Saison: zum Erkenntnisgewinn, und auch, um herauszufinden, wie man ankommen kann in der Liga, ohne es sich ihr gemütlich zu machen.

Pal Dardai muss nun zeigen, ob er auch für die kommende Saison der richtige Mann ist. Das Prinzip Berliner Jugend wird dann noch stärker an ein paar wenigen Stützen festzumachen sein. Diese Stützen dürfen keine schlechten Routiniers wie Bouchalakis sein. Es war also ein gutes Zeichen, dass Dudziak endlich wieder von Beginn an spielen durfte, neben Klemens. So soll eine produktive Doppelsechs oder Sechsacht aussehen. Auch die Innenverteidigung macht mit Marton Dardai und Linus Gechter mehr Sinn, obwohl sie heute nicht über jeden Zweifel erhaben waren.

Heute stimmte die Mischung auf dem Feld. Und auch wenn Maza und vielleicht auch Reese nicht zu halten sind, für ein weiteres Jahr zweite Liga gibt es hier einige spannende Spieler, und Hertha hat nun noch acht Mal Gelegenheit, sich für eine kommende Saison zu orientieren, in der Fußball dann besser wieder auf einer soliden Grundlage gespielt werden könnte – und nicht in diesem offenen Raum des Enthusiamus, den Schalke 04 heute besonders weit aufgemacht hat.

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