Draußenseitertaktik

Ante Covic hat es nicht leicht. Er wird an verschiedenen Faktoren gemessen. Erstens soll es mit ihm besser werden als mit Pal Dardai, und mit Pal Dardai war es ja nicht ganz schlecht, jedenfalls nicht nach den Maßstäben von 2009 oder 2011. Hertha war unter Pal nie in Abstiegsgefahr. Seine kleine Ära wird jetzt von nicht wenigen Fans schon ein wenig verklärt.

Zweitens wird Covic an Aussagen gemessen, die er im Sommer gemacht hat. Er hat da einen gestaltenden, initiativen Fußball versprochen (ich übersetze das jetzt ein wenig), einen Fußball, wie Hertha ihn übrigens vor einem Jahr, unter Pal Dardai, eine Weile gespielt hat, bevor er einer seltsamen Apathie wich. Gestern hatte Hertha gegen Paderborn ein gutes Drittel des Ballbesitzes, und war nur in kurzen Phasen die bessere Mannschaft.

Drittens wird Covic an den Tennor-Millionen gemessen, wobei dieser Faktor bisher nicht allzu stark ins Gewicht fällt. In Berlin herrscht bei Hertha weiterhin ein leicht provinzieller Alltag, nur jetzt eben mit dem Unterschied, dass dabei Dodi Lukebakio auf der Bank saß.

Alle drei Messungen sehen derzeit für Ante Covic nicht gut aus. Daran ändert der gestrige 2:1-Heimsieg gegen Paderborn nur wenig. In der Form und mit der Einstellung von gestern wäre zu befürchten, dass das der einzige Sieg in der Hinrunde bleibt. Auf eine Einzelleistung von Dilrosun, die den frühen Führungstreffer brachte, reagierte das Team mit kollektiv reduziertem Engagement, und der Trainer gab dann in der Pause auch gleich noch ein Auswechselsignal: Darida für Duda, das heißt in der (gewiss eindimensionalen) Übersetzung: Wir wollen das Einsnull halten.

Später bekräftigte Covic dieses Signal durch Mittelstädt, da stand es 2:1, nach einem neuerlichen Beitrag von Dilrosun, den Wolf verwertete. Damit standen die Zeichen auf Sieg, und das Team antwortete mit reduzierter Konzentration: Plattenhardt und Stark schenkten Paderborn den Anschlusstreffer.

In der Nachspielzeit gab es noch eine Kopfballchance auf den Ausgleich, die nicht genützt wurde. Das ergab in Summe einen glücklichen Sieg, der halt kein Glücksgefühl auslösen kann. Zu deutlich war, wie fragil das Team ist, wie wenig Autorität es ausstrahlt, wie dürftig die taktische Steuerung ist. Man muss ja nicht gleich von Pressing, gar Offensivpressing sprechen. Aber schon beim Zustellen in der gegnerischen Hälfte lässt Hertha vieles aus, was selbst oder gerade "schwächere" Mannschaften perfekt umsetzen.

Hertha stand gestern in der Regel sehr tief, spielte also gegen einen Außenseiter - wie steigert man Außenseiter: vielleicht wie ein Draußenseiter. So nimmt man sich nämlich aus dem Spiel. Immerhin sind nun die Erwartungen gegen Köln so niedrig, dass man dort auch etwas mutiger auftreten könnte. Die Zweifel sind allerdings schon groß, dass Ante Covic mit dieser Mannschaft noch einmal aus der Zaghaftigkeit herausfinden wird, die gestern herrschte.

Personalien: Covic sollte allmählich einen Kern für eine Stammelf finden. Boyata kommt dafür in Frage, Grujic natürlich, Selke würde ich weiterhin Ibisevic vorziehen, Dilrosun versteht sich von selbst, Maier wird dringend erwartet. Klünter und Wolf waren gestern in der ersten Halbzeit indiskutabel, vor allem, wenn man weiß, dass sie (zu zweit) Lazaro ersetzen sollen. Lukebakio wird wohl gegen Köln zurückkommen. Plattenhardt hatte vor vielen Jahren eine gute Saison, seither hat er es sich bequem gemacht. Mittelstädt sollte auf diese Position zurückkehren.

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Kommentare

Kommentar von Alex S. |

Eklatant ist auch, dass wie unter Dardai, die Mannschaft immer weniger läuft als der Gegner. Damit fängt es doch an oder? Immer 3-5 km weniger als der Gegner... Frei nach dem Motto: Hauptsache das Gehalt kommt pünktlich, aber heute renn ich nicht so viel!

Kommentar von Sven |

Toller Artikel. Trifft voll die Situation.

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