Ein Foto bei Gelegenheit

Zum Leben eines Fans gehören auch die "photo opportunities". Manche sammeln Selfies mit Stars, ich mache das nur selten, weil ich selten Selbstbildnisse mache. Einmal habe ich in Amsterdam auf dem Flughafen Rivaldo gesehen, der auf einer Fahrtreppe an mir vorbeifuhr. Ich hätte ihm nachlaufen sollen, denn er ist für mich ein Fußballgott, und er wirkte auch wie einer - eine imposante Erscheinung, die gerade deswegen ein wenig surreal daherkam, weil ich seine Beine nicht sehen konnte. Er wurde an mir vorbeigeschoben wie eine Statue.

Im Sommer 2006 war ich gerade in der Stadt unterwegs, als ich eine Textnachricht von meiner damaligen Lebensgefährtin bekam. "Arsene Wenger in Galeries Lafayettes! Get going!" Damals hatte ich noch eine sehr hohe Meinung von dem Trainer von Arsenal, der wegen der WM in Deutschland war (es war der Sommer des Sommermärchens). Ich tat mein Bestes, um so schnell wie möglich aus Kreuzberg in die Friedrichstraße zu kommen (zwischendurch kamen weitere Nachrichten: "Hes in shorts. His legs are so thin - amazing", "I think he's buying underwear" - meine Lebensgefährtin, eine gebürtige Kanadierin, teilte damals meinen Premier League-Fimmel, achtete aber auch auf andere Dinge).

Mit Arsene Wenger hätte ich damals sehr gern ein Foto gemacht, aber ich kam zu spät. Heute würde ich mich dafür eher genieren. Ich erzähle das alles, weil ich am Donnerstag im Martin Gropius-Bau ein Foto mit Salomon Kalou gemacht habe. Eine befreundete Kollegin vom tip hat das für mich erledigt. Die Gelegenheit ergab sich am Rande einer Veranstaltung, in der Kalou über sein Leben sprach - es war einer dieser typischen Motivationstalks, bei denen es nicht so sehr darauf ankommt, was genau gesagt, sondern wie es herüberkommt.

Und Salomon Kalou hat da eine sehr gute Figur gemacht. Ich wäre wohl gar nicht hingegangen, wenn er mir nicht zuletzt zunehmend zu imponieren begonnen hätte - als Spieler in der Mannschaft, als Führungsfigur, die kein großes Aufhebens von sich macht. Im Gropius-Bau sprach er einfach und überzeugend von seinen Erfahrungen in der Kindheit in Afrika und bei den verschiedenen Stationen als Fußballer in Europa.

Als ihn dann jemand fragte, auf welcher Station seines Karriere er sich am besten gefühlt hätte, nannte er Hertha BSC und Berlin, und es klang auch deswegen überzeugend, weil er dafür einen einfachen Grund nannte (immerhin hat er mit dem FC Chelsea die Champions League gewonnen, konnte also auch andere Momente anführen): Der Salomon Kalou, der derzeit in Berlin (und heute Abend in Bremen) zu sehen ist, ist im besten Sinne gereift. Er weiß mehr über das Leben, über den Fußball und über die Welt.

Und das sieht man auch seinem Spiel an, das natürlich, wie das der ganzen Mannschaft, "in Ausbildung" ist, das aber insgesamt im besten Sinne vorbildlich ist. Es zählt zu den Verdiensten von Pal Dardai, dass er Kalou in Berlin eine Perspektive geboten hat, die ihn auch persönlich sehr zu befriedigen scheint. Als ich ihn da so sprechen sah im Gropius-Bau, da war ich stolz, dass Salomon Kalou in Berlin und für Hertha spielt. Stolz, wie halt ein Fan manchmal stolz ist - wir tun ja nichts dazu, außer ein wenig Energie, und zwar am liebsten positive. Mir kommt vor, man kann ein wenig von all dem auf dem Foto sehen.



MGB Perspektive: Wie ich wurde, was ich bin (Veranstaltungsreihe)
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Kommentare

Kommentar von Jörg |

Meine Liste der Lücken und offenen Baustellen in dem, was Dardai erreicht hat, wäre diese: 1. Spieler sind immer wieder unkonzentriert. Der erfolgreiche HSV-Konter gestern war eigentlich unnötig, Weiser steht nicht richtig, das Gegenpressing war ungeschickt. 2. Vorn fehlt häufig entweder Glück oder 5cm. Wie auch gegen Freiburg hatte Ibisevic gestern einige Chancen, die er nicht nutzen konnte. In der Hinrunde sind die Stürmer häufig ungewöhnlich effektiv, in der Rückrunde holt die Statistik sie dann wieder ein. 3. Vorn fehlt auch häufig entweder die Energie oder die Automatismen fürs Freilaufen und Anspielbar-Sein, systemisch werden zu wenig Chancen generiert. Im Spiel gestern hat Plattenhardt immer wieder gestikuliert: ich habe niemanden, den ich jetzt anspielen kann. Immerhin stachelt die Mannschaft sich gegenseitig an, auch von Ibisevic hat man das gesehen. 4. Das defensive Mittelfeld neigt dann und wann zu allzu großer Defensivität. Obwohl Lustenberger eigentlich wegen seiner Spielintelligenz einer meiner Lieblingsspieler ist. 5. Ungenauigkeit im Zuspiel. Entweder wissen die Spieler zu wenig, wo sie ihre Mitspieler erwarten können oder sie haben technische Defizite. 6. Halbgare Mentalität, vielleicht. Die Spieler spielen halt nicht immer wie gegen Bayern, mit 100% Einsatz und Schärfe. Diese Lücken und Baustellen verstellen meines Erachtens den Blick auf die Entwicklung, die durch Dardai angetrieben wurde. 1.) und 2.) sind effektiv am wichtigsten, 3.) muss sich Dardai am ehesten zuschreiben lassen. Positiv gesehen wäre mein Bild, dass Hertha unter Dardai einen intuitiven, schlitzohrigen Fussball spielt, der aus einer sicheren Defensive heraus ein offensives Maschinchen laufen lässt, das alle sieben Minuten eine Chance generiert. Mit etwas Personalkontinuität kann man damit um internationale Plätze spielen, ohne eine Mannschaft von der Qualität wie Schalke haben zu müssen.

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