Investitionsoffensivplan

Lars Windhorst denkt gern groß. So sieht er auch die Verpflichtungen, die Hertha BSC im Transferfenster vor einem Jahr getätigt hat. "Die Transferoffensive im Winter. Das war der größte Investititionsoffensivplan, der umgesetzt wurde von allen Clubs in der Welt." So zu hören in der ZDF-Doku über das Investment von Tennor bei Hertha BSC.


Der größte Investitionsoffensivplan von Welt lohnt noch einmal einen Blick, gerade auch angesichts des Spiels in Bielefeld am vergangenen Sonntag. Aber auch einfach, um sich zu vergegenwärtigen, wie Erfolg im Fußball planbar sein könnte, und woran es dann konkret bei Hertha auch immer wieder scheitert.

In Bielefeld war wieder, wie so oft, eine phlegmatische Hertha zu sehen, die nicht in die Gänge kommt, und bei der es vor allem im zentralen Mittelfeld sehr hapert. Das ist aber genau der Bereich, der im Januar 2020 adressiert wurde. Zur Erinnerung: Trainer war damals Jürgen Klinsmann, das Corona-Virus betätigte sich noch diskret in Wuhan, Hertha stand vor den erstern Schritten zum Big City Club.

Verpflichtet wurden damals Tousart (25 Millionen), Piatek (24 Millionen, Ascacibar (10 Millionen und Cunha (18 Millionen). 77 Millionen gab damals kein anderer Club aus. Was hat es gebracht?

Cunha ist zweifellos eine Bereicherung, allerdings zeigt sich auch, dass er für ein planvolles Aufbauspiel nicht unbedingt der beste Partner ist. Er ist eben in hohem Maß Individualist, und sucht auch die entsprechenden Lösungen. Das ergibt manchmal schöne Überraschungen, oft aber auch viele Anregungen, die niemand aufgreift.

Piatek ist ein guter Stürmer, wurde aber ein halbes Jahr später durch Cordoba ersetzt, von dem man sich anscheinend erwartete, dass mit ihm ein direkteres Spiel möglich wäre, Stichwort: Ballbehaupter bei spekulativen Bällen in die Spitze. Heißt auch: latente Abkehr von einem planvollen Aufbauspiel, das davor Piatek zu selten erreicht hatte.

Damit kommen wir zum zentralen Mittelfeld, derzeit meist in einer Dreierkombination mit 6 und Doppel-8, weil es Hertha an Flügelspielern mangelt! Sonst häufig in einer Duo-Formation mit 6 und 8. Tousart blieb noch eine Halbserie in Frankreich und kam erst im (Corona-)Sommer. Ascasibar war ganz kurz so etwas wie ein Stammspieler, damals wirkte er wie ein bescheidenerer Skjelbred. Grujic war damals auch noch da, empfahl sich aber nicht für eine größere Investititon. Löwen war damals ausgeliehen, kam im Sommer aber wieder zurück, eine richtige Chance, sich über einen gewissen Zeitraum zu bewähren, bekam er nie. Arne Maier war damals auch die ganze Zeit da, spielte aus den unterschiedlichsten Gründen aber selten.

Im Sommer wurde mit Matteo Guendouzi ein neuer Mann für das Mittelfeld geholt, er zeigte einige gute Ansätze, gegen Bielefeld war von seinem Mentalitätsspiel auch nicht viel zu sehen. Niklas Stark spielte in dieser Saison eine Weile als Sechser, konnte diese Rolle aber auch nicht prägend besetzen.

Arne Maier ist derzeit in Bielefeld und hat dort offensichtlich bei Uwe Neuhaus keine Karten. Ich habe zuletzt mehrfach getwittert: Arne Maier fehlt sehr. Das war immer nur halb ironisch gemeint. Denn ich bin tatsächlich der Meinung, dass unter den derzeitigen Optionen für das zentrale Mittelfeld der billigste Spieler, der bei Hertha ausgebildete Arne Maier, die beste Option wäre. Er hat es immerhin schon bewiesen, damals war er noch sehr jung, und es ist schon länger her - unter Pal Dardai. Danach hat ihn sein nationaler Ehrgeiz (U21) wohl dazu verleitet, sich zuviel zuzumuten, und es kam zu einer Verkettung, die für Fußballspieler leider Alltag ist: Verletzungsproblem, ungeduldige Trainer. Dass er bei Labbadia nie wirklich eine Chance bekam, wie auch schon bei Klinsmann, kann man durchaus behaupten.

Natürlich kann ich nicht beweisen, dass Hertha zum Beispiel mit dem defensiven Zentrum Torunarigha - Boyata - Stark - Maier besser wäre als derzeit mit Alderete - Stark - Tousart - Guendouzi. Aber es ist doch deutlich, dass der Investitionsoffensivplan wenig bis gar nichts gebracht hat. Tousart ist ein Fremdkörper. Und Ascacibar?

Im Sommer ging der Investitionsoffensivplan weiter. Zeefuik fiel bisher vor allem durch seine Stutzen auf. Alderete schlägt auch ab und zu über den Ball, trotzdem hat Labbadia Torunarigha schon wieder das Vertrauen entzogen. Tousart wird vielleicht einmal ein großer Herthaner, bisher sieht es nicht danach aus.

Ohnehin hängt alles an Labbadia, der eigentlich nur bis Saisonende aushelfen sollte, der aber wegen Corona dann doch "richtiger" Cheftrainer wurde. Eine Handschrift ist nicht zu erkennen. Ein "Projekt" nur dann und nur als Vorwand, wenn es wieder einmal einen Rückschlag gibt.

Das ist also der Alltag bei Hertha BSC. Eine für meine Begriffe bis Sommer 2019 plausible und perspektivisch interessante Kaderplanung wurde durch unüberlegte Zukäufe keineswegs verbessert, sondern es wurde halt einfach Geld ausgegeben. Der neuralgische Moment bleibt für mich der Sommer 2019, also noch vor Tennor, als Michael Preetz es versäumte, einen überzeugenden Nachfolger für Pal Dardai zu finden. Er wählte (wohl auch notgedrungen, denn de facto stand Hertha damals finanziell nach der Auszahlung von KKR sehr fragil da) die billige Lösung Ante Covic.

Preetz ist in dieser schwierigen Situation das schwächste Glied. Auch viele Fans machen ihn zum Sündenbock. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass bei Hertha BSC eine Kultur herrscht, die sportlichen Erfolg behindert. Diese prägt allerdings den ganzen Club vom Präsidenten abwärts, und sie wird durch einen Investor, der mit leuchtenden Augen Ausgabenrekorde als Mittel der Wahl feiert, nur bestärkt. Mir wäre lieber, Tennor würde die dritte Rate behalten, Hertha würde das 50+1 einhalten, und Preetz würde einen spannenden Trainer für die Rückrunde finden, der aus dem zweifellos vorhandenen Potential im Kader etwas macht. Das wäre ein realistisches Programm. Saisonziel wäre dann halt wieder der Platz im Mittelfeld, den Hertha derzeit sowieso zu verfehlen droht.

Und wir sollten Arne Maier aus Bielefeld zurückholen. Das wäre mein Investitionsoffensivplan im Winter 2021.

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Kommentare

Kommentar von Marxelinho1892 |

"Der befreundete Herthaner Brehmchen vom Exilherthaner Podcast hat hinterfragt, ob es angemessen ist, von Hertha BSC als einer denkbaren ""Konkursmasse"" zu sprechen. Ich habe dieses Wort bewusst verwendet, weil ich die Umschreibungen und Schönredereien der Managementsprache nach Möglichkeit vermeiden will. Konkursmasse entsteht aber natürlich nur dort, wo jemand bankrott geht. Ob das bei Windhorst eine realistische Gefahr ist, kann ich nicht einschützen. Erstens operiert er mit einer Vielzahl von Gesellschaften oder Vehikeln, zweitens gibt es auch Beispiele dafür, dass Wirtschaftstreibende über viele Jahre Milliarden an Schulden vor sich her schieben und nie hinfallen (Trump ist ein prominenter Fall). Viele leben davon, dass die Wirtschaft so komplex geworden ist, dass Behörden und Medien nicht mehr durchsteigen. Andererseits ist es aber doch auch ein deutliches Indiz, wenn er einen Termin wie den mit der Rate bei Hertha versäumt (wenn auch nur geringfügig). Ist ja auch egal, wir werden es wissen, wenn es etwas zu wissen gibt. Ich glaube allerdings, die Sache nicht falsch zu deuten, wenn ich meine, dass die Anteile, die Peil BV an der Gesellschaft hält, die Hertha BSC geGründet hat, um Probleme mit der 50+1-Regel zu vermeiden, im Falle eines Falles nicht einfach an Hertha zurückfallen würden. Die wären dann eben Verhandlungsmasse. Sollten Ansprüche gegen Tennor/Peil entstehen, wäre Hertha einer der Bestände auf der Habenseite, die Windhorst dann geltend machen müsste. Der e.V. Hertha BSC ist selbstverständlich nicht betroffen. Den könnten allenfalls wir gemeinsam ruinieren, was wir nicht tun werden.

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