Jos knows

Halten wir kurz fest, was wir bisher haben: Hertha BSC hat im ersten Spiel unter den ungewöhnlichen Bedingungen des DFB-Pokals (vierte Liga, mäßiger Platz, du kannst dort eigentlich nur verlieren, musst aber selbstverständlich gewinnen) die Aufgabe erfüllt, allerdings auch zwei Tore kassiert. Es folgte eine starke erste Halbzeit gegen eine sehr dürftige Mannschaft von Werder Bremen, eine ordentliche zweite mit Aussetzern. Das Wort Aussetzer müssen wir uns merken.

Es folgte eine taktisch, kämpferisch und spielerisch sehr interessante erste Halbzeit gegen Leverkusen, und eine zweite, in der die Defensive nicht mehr standhielt. Das Heimspiel gegen Mainz muss als Rückfall in die schlechte Rückrunde der vergangenen Saison gewertet werden.

Jos Luhukay hat bis zu einem gewissen Grad recht, wenn er sagt, dass bisher außergewöhnliche Umstände geherrscht haben. Nun gab es eine vollständige Trainingswoche, bei der allerdings immer noch viele Spieler verletzt fehlten. Trotzdem ist die Auswahl groß genug, um heute im Auswärtsspiel gegen Freiburg nicht nur eine konkurrenzfähige Mannschaft aufzustellen, sondern auch einmal zu demonstrieren, was der Coach denn mit den vielen personellen Alternativen im Sinn hat, die ihm der Kader bietet.

Kalou und Lustenberger sind die beiden großen Namen, bei denen im Moment nicht sofort klar ist, wo ihre Position sein soll. Ich gehe einmal davon aus, dass Luhukay nicht noch einmal Heitinga auf die Bank setzt, das wäre ein zu demonstratives Manöver, die naheliegendste Lösung wäre wohl, Brooks pausieren zu lassen. Oder aber es doch mit Lustenberger einmal im defensiven Mittelfeld zu versuchen, neben und sogar leicht vor Hosogai, also fast schon als Regisseur.

Wäre er damit überfordert? Vollständig überzeugend hat Lustenberger diese Position noch nicht interpretiert, doch ist das, was Hegeler neulich vorgelegt hat, kein einschüchternder Maßstab. Kalou und Schieber könnten im Grunde fast so etwas wie eine Doppelspitze in einem 4-4-2 machen, denn Schieber hat bereits gezeigt, dass er nicht im Strafraum festhängt (seine Hereingabe zum 1:0 gegen Leverkusen!). Und Kalou ist schnell, kann also davon profitieren, dass er manchmal ein wenig mehr Raum vor sich hat.

Das wird vielleicht nicht gleich einen Effekt haben, wie ihn Raffael und Kruse bei Gladbach gegen Schalke hatten (wo der Gegner naiv war), aber auswärts gegen Freiburg ist das eine Paarung, die neugierig macht. Hinten können wir vermutlich Pekarik wieder erwarten, wobei die Frage ist, ob er rechts oder links kommt. Van den Bergh könnte auf die Bank rücken, Schulz ist die Frage, die Antwort könnte Stocker lauten, von dem inzwischen nicht mehr plausibel zu machen ist, welchen Rückstand er noch aufzuholen haben könnte außer den, dass er einen Sommer zum Vergessen hatte.

Die kleine Berliner Öffentlichkeit, die Hertha genauer beobachtet als die bundesweite Szene, die gern weiterhin durch den Zerrspiegel ihrer föderalen Vorurteile auf den Hauptstadtclub blickt, hat zuletzt zum ersten Mal für einen Moment in den Abgrund möglicher Zweifel an Luhukay geschaut. So stark ist mittlerweile die Mythologie, dass dieser Trainer und kein anderer der Mann für Berlin ist, dass seine sportlichen Entscheidungen zwar nicht sakrosankt sind - aber er kann sich vorläufig noch problemlos auf seine Rolle der unbeeindruckbaren Besonnenheit zurückziehen. Jos knows nicht nur, sondern Jos knows it besser.

Die Aufgabe, vor die ihn der Manager gestellt hat, ist allerdings beträchtlich. Denn so sehr es wünschenswert scheinen mag, auf Grundlage intensiver Konkurrenz im Kader immer neue, perfekt auf den Gegner zugeschnittene Formationen entwerfen zu können - eine Mannschaft braucht auch eine eigene Identität, einen Wesenskern, der immer mit Personen zu tun hat, also einen Stamm. Und da werden in den nächsten Wochen doch Vorentscheidungen fallen müssen. Keine irreversiblen, aber doch solche, die nicht so leicht zu moderieren sein werden wie in einem Camp in Bahia.

Schulz, Stocker, Haraguchi, Ben-Hatira, Beerens, Skjelbred, Ndjeng, Kalou, Ronny, Hegeler, Mukhtar. Das sind elf für drei Plätze nur im offensiven Bereich. Und was mag sich Tolga Cigerci denken, von dem zuletzt überhaupt nie die Rede war, und auf dessen Rückkehr ich doch, trotz der vielen Alternativen, sehnlichst warte? Der Luxus eines großen Kaders setzt den Trainer auch unter Druck. Ab heute muss er zeigen, dass er nicht nur integrationspolitisch rotieren will, sondern auch tatsächlich die besten Leute für den jeweiligen Tag zu finden gewillt ist.

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