Kleine Schritte, große Lösung

Lustig eigentlich, wie vage die Jobbeschreibung für Pal Dardai ist. Er soll wohl mit Hertha ein paar Spiele gewinnen, aber es bleibt dezidiert ungesagt, ob er nun als provisorischer Trainer den Platz für einen "echten" warm halten soll, oder ob er schon die große Hertha-Lösung für die Zukunft als solche ist. Wenn man den Kriterien des Aktuellen Sportstudios des ZDF folgen will, dann hat da jemand eine riesige Aufgabe: nicht nur den Klassenerhalt sichern, sondern auch eine Identität für einen schlecht definierten Club zu finden.

Ich habe hier des öfteren in eine ähnliche Richtung argumentiert, aber ich sehe anders als die Polemiker beim ZDF auch, warum es sich mit Hertha so verhalten könnte, wie es nun einmal der Fall ist: ein Club mit mäßig was hermachender Geschichte kehrt, kurz bevor Berlin zur Hauptstadt wird, in die erste Liga zurück, und macht dann ein paar Jahre ganz erfolgreich auf Hauptstadtclub. Irgendwann merkt man, dass ein wenig mehr Realitätssinn nicht schlecht wäre, dafür soll ein neuer, junger Manager sorgen, dem wir seither dabei zusehen, wie ihm die Widrigkeiten um die Ohren fliegen.

Michael Preetz hat im Grunde noch nie so richtig einen Fuß auf den Boden bekommen, deswegen hat er Jos Luhukay ein wenig zu lange mit dem Grund verwechselt, auf dem sich etwas Dauerhaftes und Prägnantes entwickeln könnte. Mit dem mitteleuropäischen Leistungsethiker und Feierabendhedonisten Pal Dardai könnte das vielleicht sogar noch eher was werden. An einer anderen Stelle sprach ich einmal von einem "Paläolithikum", nun aktualisiere ich diesen Begriff und äußere die Hoffnung, er möge eine schöne Ära prägen.

Sein Wirken begann glücklich und erfolgreich mit einem 2:0 in Mainz, auf das Dardai und Rainer Widmayer die Mannschaft gut eingestellt hatten, auf Grundlage einer plausiblen Aufstellung. Jens Hegeler, der in seiner beckenbäuerlichen Getragenheit besser als Ruhepol denn als Kreativagent zu gebrauchen ist, kehrte neben Brooks in die Innenverteidigung zurück, rechts davon Pekarik, links Plattenhardt, von dem wir wohl nie erfahren werden, was Luhukay gegen ihn hatte. Er spielte so, als wäre er eine gute Vertretung für Nico Schulz, der weiter vorne gebraucht wurde.

Fabian Lustenberger neben Skjelbred im zentralen Mittelfeld war die Variante, für die Luhukay zuletzt zweimal zu hasenfüßig gewesen war. Sie funktionierte, auch wenn der Kapitän sich den Nachmittag durch eine gelb-rote Karte verdarb, von der sich die Mannschaft aber nicht mehr aus dem Konzept bringen ließ.

Mann des Spiels war wohl Valentin Stocker, der in einem günstigen Moment Karius lief und dafür einen maximalen "return on investment" bekam: Elfmeter und Ausschluss des gegnerischen Tormanns. Hegeler verwertete in staatsmännischer Manier. Später organisierte Stocker noch einen schönen Angriff, den Schieber knapp nicht zum Abschluss brachte. Und auch am kuriosen 2:0 noch vor der Pause war Stocker beteiligt.

Hertha war auf eine produktivere Weise kompakt als zuletzt, das System machte Sinn, jeder Spieler wusste, was zu tun war. Die Rückkehr von Skjelbred hat sicher nicht geschadet, Schulz und Brooks konnten sich rehabilitieren für etwas, was Luhukay ihnen viel zu streng nachgetragen hatte. Ein paar interessante Spieler kehren demnächst zur Mannschaft zurück, dann dürfen wir gespannt sein, wie sich Dardai und Widmayer das System Hertha 2015 vorstellen. Bloße vage Hoffnung auf Umschaltmomente ist als natürlich zu wenig für ein Dasein in der ersten deutschen Fußballbundesliga.

Am Abend war dann der Manager im Fernsehen, er schlug sich gut, es ließ sich nicht auf die kleinen Mätzchen ein, mit denen er sich konfrontiert sah. Insgesamt ist ja seine Stärke, dass er sich stets als angenehmer Zeitgenosse zu präsentieren war, was allerdings in einer Welt, in der viele Sammers den Rhythmus vorgeben, nicht immer das entscheidende Kriterium ist.

Das Trostreiche an diesem Wochenende ist, dass die vielbeschworene Identität keine Sache von Fünfzigjahresplänen ist. Identität kommt mit Auftritten, Hertha hat zuletzt wenig aus den Auftritten gemacht und galt deswegen als schwach definiert. Identität ist auch so etwas wie eine Eintagsfliege, ich könnte nur bei ein paar Clubs in der ersten Liga sagen, "wer" sie sind. Und Hertha hat eben eine sehr spezifische Geschichte. Das ist auch das entscheidende Stichwort. Identität im positiven Sinn ergibt sich aus einer Geschichte, die den Eindruck von Kontinuität erweckt. Und die Entwicklung suggeriert.

Michael Preetz brennt sicher darauf, jetzt endlich einmal Geschichte zu "machen". Leider gibt es dafür im Fußball nur kleine Hebel: permanente Überprüfung aller Details. Wird in allen Abteilungen gut gearbeitet? Wo sind schlechte Routinen? Mit Pal Dardai hat er jemand am wichtigsten Hebel, der hoffentlich mehr als nur ein Wochenende lang begeistern kann. Sein Vorteil ist auch ein Nachteil: er kommt von innen, aus einem Club, von dem man gelegentlich den Eindruck haben kann, er habe es sich mit sich selbst und seinen Mythen ("exzellente Jugendarbeit", ...) ein wenig zu bequem eingerichtet.

Das soll die aktuelle Laune nicht trüben, ist aber etwas, was Michael Preetz lernen muss: Hertha positiv unter Spannung zu setzen. Er muss dafür kein Motzki werden.

zurück zur Übersicht

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 6 und 5.