Knoten sind nicht verboten



Gestern gab es im Olympiastadion etwas Erstaunliches zu erleben: ein Spitzenspiel der Bundesliga, an dem Hertha BSC als Spitzenmannschaft in jeder Hinsicht teilnahm, und das schließlich mit einem glücklichen, aber verdienten Sieg gegen Borussia Dortmund endete. Vor mehr als zehn Jahren war so etwas schon einmal Liganormalität gewesen, damals aber bei beiden Clubs auf Verhältnisse gebaut, die nicht zu halten waren. Inzwischen hat sich eine Menge geändert, vor allem hat sich die Liga insgesamt radikal verändert, für Hertha aber war das 2:1 am Samstag ein großer Schritt in Richtung einer Etablierung im erweiterten Establishment.

Es war ein schöner, noch kühler Frühlingsnachmittag mit einem tollen Licht. Ideale Bedingungen für Fußball. Der BVB trat nicht ganz mit der ersten Mannschaft an, es fehlte Reus verletzt, vor allem fehlten aber die beiden Superteens Dembele und Pulisic. Sie wurden geschont. Hertha spielte mit der Stammmannschaft der letzten Wochen, formiert allerdings im Bayernmodus, also eher in einem 4-1-4-1, mit Skjelbred ein wenig vor Stark. In den ersten fünf Minuten ging es schon hoch her, und der Eindruck bestätigte sich dann immer mehr: es war ein zugleich entfesseltes wie auch höchst diszipliniert geführtes Spiel.

Hertha spielte dabei jederzeit nach vorn, angeführt von dem extrem gut gelaunten Kalou, der dieses Mal wieder zeigte, dass er das Einszueins nach wie vor beherrscht, und dass er den Tanz mit den elastischen Beinen liebt. Es kam ihm entgegen, dass Dortmund im 3-4-1-2 dieses Mal mit Bartra auf seiner Seite spielte, eine ungewöhnliche Konstellation, die Hertha viele Räume bot.

Der Führungstreffer kam allerdings über die rechte Seite auf den Weg: Ibisevic stahl Ginter einen Ball, und verschaffte sich dann mit einer sehenswerten Beschleunigung-cum-Übersteiger-cum-Ball-auf-den-richtigen-Fuß-Legen die Möglichkeit, Kalou ideal zu bedienen. Zwei Weltklassestürmer, die gemeinsam 64 Jahre alt sind, spielten an diesem Nachmittag das alte Spiel "Knoten sind nicht verboten, solange es die Beine des Gegners anlangt". Mit der Führung wiederholte sich in etwa die Situation aus dem Pokalspiel von neulich, auch dieses Mal war der BVB vor allem in der zweiten Halbzeit eine Weile stark, Aubameyang glich aus.

Und dann brachte Pal Dardai seinen Joker: Mitchell Weiser für Ibisevic. Befremden auf den Rängen, aber es war ein kluger Schachzug, zumal das Zentrum nicht einfach neu besetzt, sondern zu einer offenen Zone erklärt wurde, in die Weiser dann einen seiner Läufe richten konnte. Er wurde knapp vor dem Strafraum gefoult. Mit dem Freistoß steigerte Marvin Plattenhardt seinen Marktwert weiter. Für ihn wird es im Sommer ganz sicher Angebote geben. Er ist jetzt schon der viel bessere Christian Fuchs.

Hertha gewann verdient, obwohl der BVB viel mehr Ballbesitz und auch eine Menge guter Chancen hatte. Aber die Defensivleistung war trotzdem herausragend (ich hatte vor allem oft ein Auge auf das Duell von Stark mit Kagawa, das häufig fast auf Manndeckung hinauslief, eine extreme Konzentrations- und Willensleistung und auch eine athletische von Niklas Stark, der auch bald ein Faktor auf dem Transfermarkt werden dürfte). Entscheidend war aber, dass die Mannschaft viel initiativer spielte, als wir es nach den meist lethargischen Auftritten der letzten Wochen erwarten durften.

Für den Coach war es fast schon ein kleiner Befreiungsschlag: Er hatte für meine Begriffe zu oft von Punkten gesprochen, bei denen es ihm egal zu sein schien, wie sie erwirtschaftet wurden (notfalls "dreckig", also ohne spielerische Legitimation). Diese drei Punkte aber wurden in jeder Hinsicht erspielt. Es geht bei Herthas Auftritten ja auch längst, wie ich mehrfach geschrieben habe, um Verantwortung für die Liga. Wer in Europa spielen will, darf sich nicht durch die Bundesliga mogeln wollen.

Das Ergebnis spiegelt sich auch deutlich in der Tabelle wieder. Hertha hat sich fünf Punkte von Platz 6 abgesetzt, und gehört jetzt fast wieder zu dem kleinen Pulk, der sich mit dem neuralgischen Platz 4 beschäftigen könnte. Und jetzt kommen die direkten Gegner um die Plätze 5 und 6: Köln, Hoffenheim, Gladbach. Der Sieg gegen Dortmund sollte als Grundlage für weitere mutige Auftritte dienen können.

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