Mann, oh Mann

Am ersten Samstag dieser Saison habe ich mir zwei Spiele angeschaut: Zuerst allein Augsburg gegen Hertha, danach mit einem Freund das Topspiel BVB-BMG. Der Freund ist Gladbacher. So wie er möchte man natürlich nicht in die Liga starten, aber möchte man es so wie im anderen Spiel? Ein 1:0-Auswärtsarbeitssieg, von dem neben drei Punkten vor allem ein schaler Nachgeschmack bleibt?

Es waren zwei Aggregatszustände des deutschen Spitzenfußballs, die da aufeinander folgten. Zuerst der Zermürbungskampf in einem mangels attraktiver Konstellation nicht ausverkauften Provinzstadion, dann die (in diesem Fall überraschend einseitige) Begegnung zweier Traditionsmannschaften vor dem vollsten Haus, das die Liga zu bieten hat. Es gab auch einen gemeinsamen Nenner: Pressing. (Konkret hört man in dem hier verlinkten Radiobeitrag mit Tobias Escher gerade bei den Passagen zu Hertha, dass es auch einem Auskenner nicht möglich ist, zweieinhalb Stunden nach Abpfiff zu allen Spielen eine gute Analyse zu bringen: dazu müsste er ja in der Lage sein, vier Spiele parallel zu sehen.)

Dortmund spielte ein überragendes Pressing, verbunden mit großartig variablen Läufen und Pässen. Das Spiel in Augsburg war deutlich abwartender, und geprägt von Bestrebungen, ja nichts ins Laufen kommen zu lassen. Insgesamt 41 Fouls (davon 21 von Hertha) bedeuten Unterbrechungen nahezu alle zwei Minuten. Für den Schiedsrichter war es eine enorm schwere Aufgabe, weil sich bei Zweikämpfen inzwischen immer schwieriger auseinander halten lässt, wo das Foul beginnt.

Hertha machte seine Sache in der ersten Halbzeit eigentlich gar nicht so schlecht, verband Kompaktheit mit vorsichtigen Bemühungen um einen Spielaufbau. Die rote Karte gegen Bobadilla (sein Einsteigen gegen Lustenberger sah wild aus, aber Weinzierl hat durchaus Recht, wenn er darauf hinweist, dass es sich hier um eine Verbindung zweier grenzwertiger Zweikämpfe handelt, eine Symbolszene) veränderte den Charakter des Spiels. Zumal Hertha gleich nach der Pause auf eine Weise in Führung ging, die dazu passte: Foul an Kalou im Strafraum, Elfmeter. Kalou schoss selbst, Hitz hätte sich am besten gar nicht bewegt, dann hätte er den wenig überzeugenden Strafstoß pariert.

Die zweite Halbzeit war danach kaum zu ertragen, denn Hertha gelang es nicht, Ruhe und Klarheit ins Spiel zu bekommen. Das hatte mit dem fast schon wütenden Pressing der Augsburger zu tun, aber auch mit einer bemerkenswerten Zerstreutheit der Berliner Führungsspieler. Lustenberger, Skjelbred und Darida spielten alle markante Fehlpässe, teilweise vollkommen unbedrängt. Vor der gelb-roten Karte gegen Beerens gibt es eigentlich eine interessante Kontersituation für Hertha, die Darida ganz schwach spielt. Der Neuzugang aus Freiburg konnte noch nicht zeigen, dass er eine deutliche Verstärkung sein wird, erst nach der Einwechslung von Haraguchi kam er spät zu seiner fast schon obligaten Schusschance.

Der Coach hatte Lustenberger wieder in die Innenverteidigung gestellt, sodass sich schon am Freitag gegen Bremen die Frage stellen wird, wann er Brooks nun für einsatzfähig befindet. Denn er wird ihn hoffentlich nicht zum Edelreservisten zurückstufen. Hegeler nützte seine Chance allenfalls bedingt, er zeigte sich engagiert beim Anlaufen, gestaltend war er aber nicht. Allerdings sind alle diese Beobachtungen ein bisschen relativ, weil das Spiel durch die beiden Ausschlüsse so markant in drei Kapitel zerfällt.

Das dritte war dann einfach nur noch "hangin in there". Da Hertha in allen wesentlichen Statistiken leicht vorne liegt (Zweikämpfe, Laufleistung), war der Sieg am Ende wohl sogar verdient. Die drei Punkte bilden eine Grundlage, der unangenehmste Gegner der Liga ist gespielt, der Augsburger Antifußball wurde nicht unbedingt mit viel Fußball, aber mit vielen sekundären Tugenden (Pal Dardai sprach von einem "Männersieg") in die Schranken gewiesen.

Viel klüger sind wir nach den ersten beiden Pflichtspielen noch nicht, aber bei zwei Siegen lassen sich die Unklarheiten vorläufig ganz gut ertragen.

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