Neureich ohne Ölscheich

In den letzten Tagen habe ich mich zwischendurch ein wenig mit Firmenrecht befasst. Als Laie, und aus aktuellen Gründen. Über Hertha BSC war ja zu lesen, dass Tennor BV seine Anteile auf rund 60 Prozent erhöhen wird, dafür gibt es im Lauf des Jahres weiteres Geld: 150 Millionen Euro. Als Verstoß gegen die 50+1-Regel gilt das nicht, und zwar aus Gründen, die ich mir erst klar machen musste.

Seither weiß ich, was eine Komplementär-GmbH ist. Die Hertha BSC GmbH & Co KGaA besteht also de facto aus zwei Gesellschaften, von denen die GmbH der Co KGaA komplementär gegenübersteht. Beide haben allerdings denselben Unternehmenszweck, nämlich den (aus den Vereinsaktivitäten ausgegliederten) Profifußballbetrieb von Hertha BSC. Tennor BV kauft Anteile an der Co KGaA, Hertha BSC behält die Mehrheit in der GmbH.

Das erinnert ein bisschen an die Sache mit den zwei Öltanks.


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Oder aber an den berühmten Kuchen, den man haben und zugleich auch essen kann. Die Sache mit den zwei Hochzeiten, auf denen man nicht tanzen kann, muss man hingegen abwandeln: Hertha tanzt auf einer Hochzeit, aber in zweierlei Gestalt. Und hält sich dabei an eine Regel, die man eigentlich als 150 minus eins bezeichnen müsste, denn so viel von den 200 Prozent der beiden Gesellschaften dürfte sie nach der 50+1-Regel wohl veräußern. Das wäre dann aber ein schönes Gewirr von Aufsichtsräten.

Hertha wird mit Tennors Millionen endgültig "neureich", schreibt der Tagesspiegel. Das Investment hat verschiedene Aspekte, ich will versuchen, sie mir ein wenig zu vergegenwärtigen.

Was bedeutet es für die 50+1-Regel in der Bundesliga? Sie wird natürlich immer deutlicher als eine Fassade erkennbar, die bei zunehmend mehr Vereinen nur noch der Form nach eingehalten wird. Es findet sich immer eine Form, wie man sie (zuletzt in Leipzig) "elegant und rechtskonform" ignorieren kann. Man muss sie gar nicht abschaffen, solange es Möglichkeiten wie die von Hertha genutzte gibt, sie zu umgehen. Zwar verbleibt die Geschäftsführung der GmbH bei Hertha, aber die 60 Prozent der Co KgaA sind dann eindeutig in der Hand von Tennor.

Sollte es zu einem Weiterverkauf kommen, hat Hertha im Grunde keinerlei Handhabe. Wenn Tennor BV sich also entschließen sollte (ich skizziere jetzt den schlimmsten, aktuell natürlich nicht unbedingt wahrscheinlichen Fall), seine Anteile nach Saudi-Arabien oder an einen Fonds irgendeiner anderen Rohstoff-Diktatur mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz zu veräußern, kann niemand etwas tun. Außer ein höheres Angebot machen. Hertha ist nun dem Weltmarkt des Kapitals ausgeliefert, und wir wissen alles, mit welchen Playern man es da zu tun hat.

Von der anderen Seite aus gesehen wird das Engagement eher rätselhafter. Was hat Lars Windhorst eigentlich vor? Wenn die Ankündigungen stimmen, dann wird er bis Ende des Jahres 400 Millionen Euro in einen Club in der notorisch ausgeglichenen deutschen Liga gesteckt haben. Das ist immerhin fast ein Drittel der Gesamtsumme der einzigen laufenden Tennor-Anleihe, von der man öffentlich etwas weiß: Sie beläuft sich auf 1,5 Milliarden Euro und wird in vier Jahren fällig. Tennor muss dann also 1,5 Milliarden plus fast sechs Prozent Zinsen auszahlen.

Windhorst spricht bei Hertha aber von einem Investment, das über 20, 30 Jahre laufen könnte. Das klingt so, als würde ihn die Sache tatsächlich interessieren. Und so mag es ja auch sein. Vielleicht hat er Feuer gefangen für den Fußball in seinen sportlichen und geschäftlichen Dimensionen. Im Kontext seiner Firma macht das Engagement bei Hertha so aber nicht wirklich Sinn. Denn er muss die 1,5 Milliarden bis 2024 ja irgendwie erwirtschaften. Bei Hertha ist in diesem Zeitraum auch mit sehr viel Optimismus nicht leicht eine Wertsteigerung denkbar, aufgrund derer die 400 eingesetzten Millionen dann vielleicht 600 oder 800 wert wären.

Das wird schon aus dem bisher Erreichten deutlich. Hertha wirtschaftet ja schon eine Weile mit dem Geld von Windhorst. Wir haben also erste Anhaltspunkte, was sich mit den genannten Summen erreichen lässt. Im Winter wurden Ascacibar, Piatek und Cunha verpflichtet. Im Frühling kam mit Bruno Labbadia ein neuer Trainer, der Ibisevic statt Piatek spielen ließ. Und Skjelbred erwies sich als der bessere Ascacibar. Das ist natürlich nur eine Momentaufnahme, aber sie sagt etwas über den Wirkungsfaktor Geld.

Auch die Transfers, die Michael Preetz im Sommer (noch vor Tennor) getätigt hat, künden nicht unbedingt davon, dass es auf Big Spending ankommt: Boyata kam ablösefrei und ist jetzt endlich eine Stütze. Lukebakio war für die Verhältnisse von Hertha relativ teuer, ist auch schnell und schießt ab und zu Tore, erwies sich aber als bemerkenswert dürftiger Fußballer. Bleibt also Cunha als echte Verstärkung.

Für Hertha kommt die Möglichkeit, sich grundlegend neu aufzustellen, in einer Zeit großer Ungewissheit. Für einen Financier wie Windhorst mag das wie eine gute Gelegenheit aussehen. De facto war es aber die Trainerpersonalie, auf die es in diesem Jahr bei Hertha am meisten ankam. Das bleibt die schwierigste Entscheidung, und sie hat mit Geld relativ wenig zu tun. Für den Moment hat Hertha da mit dem deutschen Mancini (Boyata über Labbadia) eine gute Wahl getroffen.

Schon im Sommer aber werden wir sehen können, ob die neuen Konstellationen bei Hertha einer vernünftigen Arbeit zuträglich sind. Für meine Begriffe waren schon die Transfers im Winter zum Teil von Aktionismus geprägt. Ein wenig Skepsis macht also durchaus Sinn.

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