Vor dem Heimspiel gegen Werder Bremen, mit dem Hertha BSC die Saison 2013/14 eröffnet, sind die Ungewissheiten groß. Der Trainer weiß nicht, wo die Mannschaft steht. Wir warten gespannt auf die Aufstellung. Alexander Baumjohann fragt sich sicher, wie es um seine physische Belastbarkeit steht. Die Konkurrenz fragt sich, ob ein gewisser Horst Julius Pudwill auf der Ehrentribüne sitzen wird - dann gäbe es nämlich endlich ein Gesicht zu dem weltweiten Interesse, das offensichtlich an Investitionen in Hertha BSC herrscht.
Die geschäftliche Lage ist dabei mindestens so kompliziert wie die Zusammensetzung eines überdimensionierten Kaders, aus dem niemand mehr so herausragt, wie das im Vorjahr noch bei Adrián Ramos der Fall war. Hertha hat alle Positionen doppelt und manche drei- bis vierfach besetzt, doch es ist sehr unklar, ob sich daraus eine durchsetzungsfähige Formation ergeben wird.
Dass der Coach zum Beispiel andeutet, er könnte sich Nico Schulz auch in defensiven Mittelfeld vorstellen, ist ein zwiespältiges Zeichen. Es steckt darin mindestens so viel Innenpolitik wie taktische Überlegung. Der Kader muss mit Optionen in Bewegung gehalten werden, schon heute wird es eine ganze Reihe langer Gesichter geben, die sich auf der Tribüne allerdings als solche nicht zu erkennen geben dürfen. Wenn sie denn überhaupt ins Stadion kommen.
In finanzieller Hinsicht ließ diese Woche die Nachricht aufhorchen, dass Hertha Genussscheine in Höhe von sechs Millionen Euro ausgeben wird - oder dies schon getan hat. Zeichner ist eben dieser Herr Pudwill, der vor dreißig Jahren in Hongkong eine Firma gegründet hat, die heute mit rund 20000 Beschäftigten Dinge herstellt und Firmen verwaltet, in denen Dinge hergestellt werden, die zum Beispiel in amerikanischen Märkten wie Home Depot zu haben sind.
Wie immer hält sich das Management von Hertha eher bedeckt über den Deal. Das hat mit der nach wie vor komplizierten finanziellen Lage zu tun. Nur die Zeitung, die es gern ein wenig einfacher hat, kann zu dem Schluss kommen, dass Hertha mit KKR und Ramos/Lasogga zuletzt 80 Millionen Euro eingenommen hat. Die Geschäftsführung Finanzen hat ja nie im Detail dargelegt, welche Verbindlichkeiten mit dem KKR-Deal wie refinanziert wurden. Dass aber immer noch beträchtliche Außenstände vorhanden sind, ist klar.
Eines fällt jedenfalls auf: Während der FCB und der BVB strategische Partnerschaften mit großen Unternehmen schließen, verbündet Hertha sich mit Firmen und Individuen, die keine anderen als Renditeinteressen haben. Pudwill steigt ja nicht mit TTI ein, sondern als schwerreicher Privatier, für den sechs Millionen Euro zweifellos eher Spielgeld sind. KKR ist ein Equity-Unternehmen, das nicht an einer Markenpartnerschaft interessiert ist, sondern an Verzinsung.
Wie Pudwill sich das Ausstiegsszenario in sieben Jahren vorstellt, können wir nicht wissen. Vermutlich hat er aber auch ein positives Szenario vor Augen: Hertha konsolidiert sich in der Liga, tastet sich an den Europacup heran, steigert die Fernseheinnahmen, macht seinem Status als Hauptstadtclub alle Ehre und riecht an den besseren Plätzen zumindest in der Liga. Dem steht entgegen, dass zwei Clubs gerade dabei sind, der Liga definitiv zu enteilen, dass dahinter Werksclubs wie Leverkusen oder Wolfsburg wettbewerbsverzerrende Bedingungen genießen, dass S04 sich mit russischem Räubergeld aushalten lässt.
Erst mit Gladbach taucht in der Tabelle ein Club auf, dem man uneingeschränkt Respekt auch für seine geschäftliche Seite zollen darf. Hertha positioniert sich derzeit als der Verein, der am meisten "Phantasie" auf sich zieht. So nennen die Börsianer das, wenn sie das Gefühl haben, etwas Unterbewertetes könnte im Wert steigen, und da will man dann natürlich dabei sein.
Phantasie ist gut. Aber es tut einem Verein, der sich gern als bodenständig und nüchtern präsentiert, nicht gut, wenn er de facto immer mehr zum Vehikel reiner Kapitalinteressen wird. Das aber zeichnet sich bei Hertha ab, während andere Clubs eben auf Beteiligungen mit gemischten Interessen setzen. Vielleicht ist es bei Horst Pudwill aber auch so, wie es schon bei früheren Zeichnern von Genussscheinen bei Hertha war: Vielleicht mag er den Club halt einfach, und hat für Hertha nur das Beste im Sinn.
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