Mit Costa Rica verbinde ich vor allem dies: Als ich seinerzeit vor einer Zivildienst-Kommission darlegen musste, warum ich bei der militärischen Landesverteidigung Österreichs nicht mitmachen wollte, da berief ich mich auch auf das kleine Land in Mittelamerika, von dem es damals hieß, es komme ohne Militär aus.
Am Samstag hat Costa Rica mit einem 3:1 gegen Uruguay einen der Geheimfavoriten dieser WM entzaubert. Und dabei war ein Mann besonders wichtig, auf den ich aus einem besonderen Grund neugierig war: Joel Campbell gehört nämlich schon eine Weile dem Arsenal FC, konnte aber aus Gründen, die mit der britischen Einwanderungsbürokratie zu tun haben, noch nie für die Mannschaft von Arséne Wenger spielen.
Für einen Arsenal-Fan war also die Gelegenheit, sich ein Bild zu machen von einem Mann, von dem nicht so ganz klar war, wie er auf den Schirm von Wenger gekommen war, und ob er das Zeug hat, mehr als ein Carlos Vela oder Nicklas Bendtner zu werden. Nun wissen wir ein bisschen mehr, und es gibt Gründe, sich auf ihn zu freuen, denn er kommt von einer Ausleihe an Olympiakos Piräus zurück. Das heißt allerdings nicht, dass Arsenal nicht noch einen absoluten Topstürmer braucht. Doch wie wir Wenger kennen, ist es absolut denkbar, dass er das anders sieht.
Das zweite Scouting am ersten WM-Wochenende verlief enttäuschend. Valentin Stocker blieb in der ersten Halbzeit der Schweiz gegen Ecuador weitgehend anonym, zur zweiten kam an seiner Stelle Mehmedi, der gleich ein Tor machte. Für das restliche Turnier verheißt das nichts Gutes, jedenfalls nicht für Hertha-Fans, die gern den neuen Winger studiert hätten.
Generell ist mir am ersten Wochenende die Euphorie des Beginns ein wenig abhanden gekommen. Eigentlich habe ich nur ein Spiel seriös angeschaut, das war das mitternächtliche zwischen England und Italien. Meine Sympathie für die Three Lions sitzt nun einmal tief, das hat mit Waddle und Hoddle zu tun, deren Generation mir das englische Nationalteam nahebrachte. Davor waren noch die großen Namen der siebziger Jahre, deren Träger ich kaum einmal spielen sah: Ray Kennedy, Ray Clemence, Phil Neal, Kevin Keegan, Terry McDermott, Trevor Brooking. Überhaupt, dass jemand Trevor als Vornamen haben konnte, das war für einen Buben in Oberösterreich eine erste Idee von Coolness.
Heute heißen sie Raheem Sterling oder Daniel Sturridge, viele von ihnen spielen für den Liverpool FC, der eine sehr dynamische Saison hatte. In Manaus ging nach einer Stunde nicht mehr so viel, da führte das einmal mehr ungeheuer effiziente Italien mit 2:1. Eine Flanke gegen den nicht so toll spielenden Baines hatte genügt, um Cahill gegen Balotelli das Nachsehen zu geben. Den ersten italienischen Treffer hatte Sturridge nach großartigem Pass von Sterling auf Rooney noch egalisieren können.
Es kamen Ross Barkley, Jack Wilshere, Adam Lallana, alles Indizien dafür, dass Coach Hodgson dieses Mal nicht so öde aufstellen wollte, wie dies von ihm zu befürchten gewesen war. Das Ergebnis seines taktisch vielleicht die Spur zu offensiven Vorgehens war, dass Italien wohl wieder einmal sehr ernst genommen werden muss, während England hoffentlich 2016 Europameister wird. Auf jeden Fall wird das gegen Uruguay ein tolles Entscheidungsspiel.
Interessanterweise verkörpert England bei dieser WM nach dem ersten Spiel mehr "pura vida" als die meisten Favoriten. Das allein ist ja auch schon was. Pura Vida ist ein costaricanisches Konzept, das auch die Nachbarländer beanspruchen, und das ich jetzt nicht direkt mit dem Verzicht auf eine Armee in Zusammenhang bringen möchte. "Live life to the fullest", würden die Briten sagen. Aber da klingt das schon wieder zu sehr nach Widerlegung des kategorischen Imperativs. Lebe so, dass deine Selbstverwirklichung an Fülle nicht mit der der benachbarten Selbstverwirklicher in Konflikt gerät. Da ist man schon ganz woanders als bei "pura vida".
Fußball ist mehr als "pures Leben". Das haben die Italiener einmal mehr gezeigt, das weiß aber selbst Costa Rica, nur bei Spanien können wir uns nicht ganz sicher sein. Der Titelverteidiger braucht einen Reanimator. Xavi wird es nicht sein, dafür spricht alles. Jetzt, wo ich mir all das so durch den Kopf gehen lassen, merke ich, dass ich doch schon ganz gut im Turnier drin bin.
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