Hertha kann keine Rückrunde. Dieser Verdacht taucht in diesem neuen Jahr schon nach dem ersten Spiel auf, das nominell sogar noch zur Vorrunde zu zählen ist. 1:3 gegen Leverkusen, in jeder Hinsicht verdient, auch wenn der Trainer das anders sieht. Pal Dardai möchte arbeiten, aber zum Fußball gehört es nun einmal leider auch, dass man nicht nur gegen Mannschaften spielt, sondern auch gegen Geschichten. Im günstigen Fall, wenn man die Geschichte(n) auf seiner Seite hat, kann einen das weit tragen.
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Der Club hat für dieses Halbjahr von sich aus die Themenführerschaft übernommen. Es wurde ein Saisonziel ausgegeben: Europa. Zwei von den drei Plätzen, die allenfalls verloren werden dürfen, sind schon nach diesem ersten Spieltag weg. Trotzdem war es sicher richtig, nicht blöd herumzutun. Eine Mannschaft, die zwei Jahre hintereinander auf Platz 3 überwintert, muss sich auch ihren Möglichkeiten stellen.
Sie muss das allerdings deutlich anders tun als in Leverkusen, in einem von beiden Seiten bescheidenen Bundesligaspiel, bei dem Hertha auch mit der Teamlaufleistung eine seltsame Passivität dokumentierte: 110,5 Kilometer. Das ist ein Einstand, bei dem noch das Prosit der Gemütlichkeit nachhallt.
Pal Dardai muss natürlich das Beste aus der Situation machen. Kommenden Sonntag beginnt die Rückrunde mit einem schweren Auswärtsspiel bei Freiburg, das am Freitag gegen den FC Bayern eine beeindruckende Leistung zeigte. Viel wichtiger als die Ansage mit dem Saisonziel wird ohnehin sein, ob es Hertha in dieser Halbserie gelingt, die immer noch aufällige Undefiniertheit loszuwerden.
Um es ein wenig zuzuspitzen: Das Spiel gegen Leverkusen war gar keines. Das war eher nur eine Art Routineveranstaltung mit den Grundtugenden des Fußballs, eine lange Zweikampfeinheit. Alles, was darüber hinausgeht, also da, wo das Spiel eigentlich anfängt, fand fast nicht statt. Hertha hat am Sonntag nicht Fußball gespielt, sondern nur gearbeitet.
Einer der ganz wenigen gelungenen Spielzüge hätte ja in der zweiten Halbzeit sogar fast das 2:2 gebracht. Darauf vor allem begründete der Coach danach seine gelassene Einschätzung der Leistung. Die insgesamt äußerst dürftige Gesamtleistung ließ er aus guten Gründen unerwähnt. Man müsste sonst fragen, was mit Vladimir Darida los ist, der nicht einmal mehr Eckbälle kann. Man müsste fragen, wie man aus Esswein einen brauchbaren Spieler machen kann, der nicht ständig zwischen tollen Momenten und (häufigerem) Unvermögen schwankt. Man müsste fragen, wie man das absolut sterile zentrale Mittelfeld beleben könnte. Man müsste fragen, ob sich nicht die ganze Mannschaft zu sehr nach hinten orientiert, mit dem Rückpass als der deutlich zu häufig gewählten Sicherheitsvariante.
Aber gut, das sind nur Momentaufnahmen von einer Standortbestimmung. Nach der Winterpause müssen alle erst sehen, wo es lang geht. Der Verdacht, dass Hertha für die aktuelle Tabellenposition und die damit verbundenen Ansprüche eigentlich zu wenig Fußball spielt, hat allerdings schon die Hinrunde begleitet. Er war wohl auch ein Thema, als man Duda verpflichtet hat, bei dem man sich fragen muss, was eigentlich bei der medizinischen Untersuchung vor Vertragsunterzeichnung überprüft wurde.
Das Saisonziel, das Hertha sich eigentlich gesetzt hat, ist dabei immer noch plausibel: Die Aspiration auf Europa bedeutet ja nichts anderes, als dass man der Rückrunde die Form einer Lernkurve geben möchte. Die Mannschaft muss sich entwickeln, um die Aura einer überbewerteten Aktie loszuwerden. Das geht nur, indem man Fantasie ins Spiel bringt. Kompaktheit, mit der es de facto sowieso nie so weit her war, ist auch ein Fluch. Man muss ihn bannen - durch Spiel.
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