Den 8. Februar 2012 würde ich gern aus meinem Gedächtnis streichen. Aber wie das so ist mit den Erinnerungen, sobald man das Unglück einmal überstanden hat, hält man es damit auch ganz gut aus. Es war jedenfalls einer der schlimmsten Tage für einen Hertha-Fan: Pokal-Viertelfinale gegen Gladbach, absolut fieses Wetter, und am Ende nach Verlängerung und Schauspieleinlage von Igor de Camargo ein 0:2. Eben erst war Markus Babbel nach peinlichen Kabalen entlassen worden, Michael Skibbe blieb ein Episoderl, nachdem ein paar Tage später der VfB Stuttgart mit 5:0 über Hertha drüberfuhr (Torschütze damals übrigens: Vedad Ibisevic). Mit König Otto ging Hertha dann in die zweite Liga.
Ich erinnere deswegen an diese schweren Stunden (nicht zuletzt waren es welche für den Manager Michael Preetz), weil Hertha sich gestern mit einem 2:0 im Pokal gegen den 1. FC Nürnberg die Gelegenheit erarbeitet hat, den Februar 2012 mit einer neuen Geschichte zu überschreiben. Wer auch immer der Gegner im Viertelfinale sein wird, es ist jetzt schon alles anders. Michael Preetz ist für den Kicker Einkäufer der (Halb-)Saison (auch dafür gab es beim Club neue Argumente), die Mannschaft steht in der Liga auf Platz 3 (wird allerhöchstwahrscheinlich also die Klasse halten), vor allem aber hat der Cup-Auftritt gezeigt, dass sich die Veränderungen, die wir erst so allmählich begreifen (und natürlich weiterhin nicht für gesichert halten dürfen), tiefgreifender manifestieren, als wir zu träumen wagten.
Das erste Cup-Spiel des Jahres hatte allerdings schon die Richtung gewiesen: ein schnörkelloses 2:0 in Bielefeld. Das Spiel wirkt fast wie eine Blaupause für den Auftritt in Nürnberg, nur war dieser in athletischer, taktischer und technischer Hinsicht deutlich verfeinert. Eine halbe Stunde brauchte Hertha, um sich den Gegner zurechtzulegen, dann gab es ein Tor, das man wie eine Folgerung aus dem chancenlosen Auftritt in München in der Liga sehen könnte. Es war nämlich ein Javi-Martinez-Gedenklupfer, mit dem Ibisevic die Flanke von Haraguchi weiterleitete, auf kürzere Distanz als damals der Ball auf Coman, aber doch vom Prinzip her das analoge Manöver - kaum zu verteidigen, wenn auch noch der dritte Mann in der Ballfolge alles richtig macht.
Es war Vladimir Darida, dessen Position in der Mannschaft von Spiel zu Spiel symptomatischer wird. Sein Abschluss war hochklassig, weil er die kurze Ecke wählte, viele andere Spieler hätten in die lange gezielt, weil man dafür besser ausholen konnte, aber Darida wählte die technisch anspruchsvollere - und zielführendere - Variante. Dass er derzeit der Zehner ist, ist markant, denn Hertha kann dadurch ein vielschichtigeres System spielen, ein ständig changierendes 4-2-3-1, das jederzeit ein 4-4-2 und ein 4-3-3 sein kann. Das macht nur dann Sinn, wenn der vorderste der drei zentralen Mittelfeldleute Tore erzielt. Es ist aber auch angebracht, auf Skjelbreds zunehmendes Offensivspiel hinzuweisen. Das sind alles Konfidenzphänomene, wir müssen und dürfen das so mitnehmen, es wird wieder anders kommen.
Kalou war in der ersten Halbzeit in Nürnberg derjenige, der diese Flexibilität am stärksten zeigte. Er war sehr viel unterwegs, gegen einen Gegner, der nicht wirklich nervte. Weil Nürnberg doch ziemlich andächtig dabei zusah, wie Hertha das Spiel immer stärker, dabei jederzeit diskret, an sich brachte, wirkte das gelegentlich fast wie ein Trainingsspiel, jedenfalls wenn man es mit dem Genre "Pokalfight" vergleicht, das auf jeden Fall verfehlt wurde. Dazu war die Sache zu klar.
In der zweiten Halbzeit, als die Nürnberger versuchten, zumindest Ansätze von "upsetting" entstehen zu lassen, machte John Brooks mit einem Kopfball alles klar. Sein zweiter in wenigen Wochen, auch das ein Indiz dafür, dass Hertha zur Zeit Effekte zu verzeichnen hat, die man als "selbststimulierende Regelkreise" bezeichnen kann - ich lese gerade das Buch von Steffen Martus über die Aufklärung, wo solche Effekte auf eine ganze Epoche abgebildet werden. Erfolg ernährt sich von Erfolg, Gelingen von Gelingen.
Hertha steht kurz davor, ein großartig gelungenes Halbjahr bilanzieren zu können. Und dann vielleicht im Februar die Schmach des Roman Hubnik zu rächen. Gladbach hat sich leider durch ein 3:4 gegen Bremen um die Gelegenheit gebracht, da mitzuspielen. Und das Los hat ja auch schon gesprochen: Hertha wird auswärts in Heidenheim antreten. Als haushoher Favorit. Es wird eine höchst professionelle Leistung erforderlich sein. Zum Glück kann man der Mannschaft das derzeit getrost zutrauen.
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Kommentar von Natalie |
Kommentar von Marxelinho1892 |
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