Sackgassenhauer

Von den zwei Spielen, die ich gestern im Olympiastadion gesehen habe, gefiel mir logischerweise nur das zweite, und ich wünschte, es hätte unter regulären Wettbewerbsbedingungen stattgefunden. Aber da führte Gladbach eben schon 3:0, dann 3:1 und irgendwann auch nur noch 3:2, aber als es dann darauf ankam, ob Hertha Spiel 2 durchsetzen konnte, schaltete Gladbach doch noch einmal zu Spiel 1 um, und damit war die Sache erledigt: 2:4 war der Endstand, in Summe bedeutet das Tabellenplatz 14 für Hertha und Tabellenplatz 16 bei den Gegentoren (insgesamt 19, nur Köln und Freiburg sind defensiv schwächer).

Hertha bekommt einfach keine Tendenz in diese Saison, aber die mangelnde Kompaktheit ist inzwischen eine. Dies wiegt umso schwerer, als sich das Klischee immer noch hält, Hertha wäre schwer zu bespielen. Nur die Gegner wissen es längst besser. Es hatte geradezu etwas Aufreizendes, wie Gladbach gestern in den ersten fünf Minuten an der Mittellinie wartete, und Hertha ein paar mal ins Gewirr der Linien kommen ließ. Die erste Umschaltaktion reichte schon für das frühe Führungstor durch Stindl. Selten hat mich ein Gegentreffer mehr geärgert, denn von dort oben, wo ich sitze, war die Falle ungefähr so deutlich zu erkennen, als hätte Gladbach sie mit einem riesengroßen Sackgassen-Schild markiert.

Danach gab es ein Beispiel für das deflatierende Potential des Videobeweises: Rekik geht dumm in einen Ball von Stindl, niemand merkt was, außer ein Supervisor in Köln. Es gibt Elfmeter, danach ist die Luft für eine Weile draußen, Raffael nützt das zu einem Traumtor.

Dann beginnt Spiel 2. Es ist das Spiel, das insgesamt Mut machen sollte. Denn es zeigte eine potentielle Hertha, eine spielbestimmende Mannschaft, die über die technischen und kombinatorischen Fähigkeiten verfügt, es mit einer Mannschaft wie Gladbach aufzunehmen (deren individuelle Qualitäten insgesamt natürlich eindeutig stärker sind). Von der 20. bis zur 77. Minute musste dieses Spiel auch all die Fans beschämen, die schon nach dem 0:3 das Weite gesucht hatten. (Hier die Reihe vor uns in Minute 60, alles Dauerkarten).

In diesem Spiel ging dann die Idee mit Arne Maier als Sechser und Skjelbred als Achter gut auf, da funktionierte sogar die Idee mit der Doppelspitze Ibisevic-Selke, wobei ich trotzdem der Meinung derer bin, die sagen, dass das nicht das richtige Spiel dafür war. In diesem Spiel zeigte Weiser wieder einmal, dass diese Saison für ihn doch noch irgendwann beginnen könnte.

Eine richtig gute Mannschaft war Hertha auch in dieser Phase nicht, dafür fehlte in den Aktionen die letzte Konzentration ganz vorn, aber es gelang immerhin ein passables Dominanzspiel, und Arne Maier zeigte sich als wirkliche Bereicherung. Ganz auszuschließen ist es nicht, dass Hertha in diesem Jahr die Halbrundentendenz umkehrt: In diesem Team steckt Potential, allerdings muss es seine Labilität ablegen, und dafür spricht zum Beispiel nicht, wie patzig Rekik nachher die Elfmeterentscheidung gegen ihn zu diskreditieren versuche.

Ich hätte auch anders gewechselt. Duda und Lazaro für Ibisevic und Kalou ungefähr zur 60. hätten mehr Sinn gemacht, insgesamt war es nicht ganz verständlich, warum Dardai erst nach dem vierten Gegentreffer das zweite Mal wechselte.

Von den Gegentoren kann man das dritte als "Schicksalsschlag" betrachten, das erste und das vierte aber waren klassische Koproduktionen der gesamten Defensivformation. Was insgesamt schon die gesamte Saison hindurch auffällt, ist eine seltsame Unfähigkeit, das Spiel im Raum zu antizipieren - die naive Ballfixiertheit von Langkamp und Rekik gab den Gladbachern entscheidende, kleine Räume. Lars Stindl hatte diese Woche im Länderspiel eine der schönsten Kombinationen überhaupt abgeschlossen (Özil - Götze - Stindl, ein Move für das Museum). Man musste auf ihn gefasst sein, war es aber nicht.

Neben dem BVB ist Hertha also gerade die defensive Lachnummer der Liga. Deswegen kann man Pal Dardai nicht beipflichten, der nach dem Spiel sagte, er könne der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Es gibt einige ganz konkrete Vorwürfe, und es sind die Betreuer, die darauf zu sprechen kommen müssen. Andernfalls lügt Hertha sich nur weiter in die Tasche, und gerät weiter in die Sackgasse.

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