Eine seltsame Sommerpause geht heute mit dem frühen ersten Pflichtspiel von Hertha BSC zu Ende. Irgendwie hat man das Gefühl, dass alles ineinander verschoben ist - während einige Weltstars noch nicht einmal zu ihren Vereinen zurückgekehrt sind (Mesut Özil postet aus der Strandliege), reist ein Tross von deutschen Fußballern nach Rio de Janeiro, und Hertha macht komplett ein eigenes Ding: Uefacupspiel gegen Bröndby IF, kein anderes deutsches Team spielt jetzt schon um Zählbares.
Von befreudeten Herthanern habe ich gestern den Ehrentitel einer "Penntüte" verliehen bekommen, er gilt nicht nur mir, denn ich bin anscheinend nicht der einzige, der die Umstände für das Heimspiel im Jahnsportpark falsch eingeschätzt hat. Ich war längere Zeit weg, konnte mich nicht um ein Ticket kümmern, nun stelle ich fest, das Spiel ist ausverkauft. Ich werde natürlich trotzdem mal hochfahren, um zu sehen, was geht. Denn sonst hätte ich gleich in Odessa bleiben können, von wo ich nicht zuletzt wegen der Neugierde auf dieses Spiel früher als geplant zurückgekommen bin.
Der Kicker vermutet eine Startaufstellung, die sehr stark an die Vorsaison angelehnt wäre: mit der zentralen Achse Skjelbred und Lustenberger, mit den EM-Spielern Darida und Pekarik, ohne den Neuzugang Duda (der allerdings noch nicht in Frage kommt), auch ohne den Angreifer Cigerci. Mal sehen, wie das dann konkret aussieht. Eindeutig aber ist die Lage so, dass mit der Verpflichtung eines neuen Zehners die Gemengelage im Kader noch einmal an Komplexität zugenommen hat. Wenn Duda spielt, verändert sich das gesamte System von Hertha, das bisher ja vor allem durch die janusköpfige Rolle von Darida geprägt war, und auch durch dessen Schwächephase in der zweiten Saisonhälfte.
Pal Dardai muss in den kommenden Wochen gleich unter Wettkampfbedingungen ein paar Entwirrungen vronehmen. Die Auswahl ist enorm, die potentielle Unwucht durch Duda allerdings auch. Der Coach wird implizit schon ein kleines Zeichen setzen, sollte er Fabian Lustenberger bringen - es wäre ein Indiz, dass die Kontinuität zur Vorsaison gewahrt werden soll.
Hertha braucht vor 2016/2017 aber unbedingt so etwas wie schöpferische Zerstörung. Die Mannschaft muss einmal gründlich auseinandergenommen werden, unter anderem dazu können die hoffentlich vier Ausscheidungsspiele für die EL-Gruppenphase auch dienen. Pal Dardai hat schon in der Rückrunde ein sehr hohes Maß an Kontinuität und Meritokratie gezeigt (er ließ eine zu kleine Gruppe zu viel spielen), nun wird viel darauf ankommen, ob er sich zu interessanten Schritten durchringen kann.
Personell ist vermutlich für den Rest der Transferperiode nicht mehr viel zu erwarten, wobei ein Stürmer natürlich schon sehr, sehr wichtig wäre. Einer wie damals Pierre-Michel Lasogga, als er noch zu großen Hoffnungen berechtigte. Einer, der allerdings nicht mit einem Umfeld kommt, das zum Größenwahn verleitet - wobei die Häme, mit der oft von Mama Lasogga gesprochen wird, auch etwas Fieses hat.
Die Übergangsphase, in der Hertha sich aktuell befindet, zeigt sich auch darin, dass Zweitligasuperstar Ronny immer noch zum Kader gehört, dass Sami Allagui, dem gegenüber der Verein sich sehr fair verhalten hat, als echte Option für den Sturm gehandelt wird, dass die Rolle von Valentin Stocker (und das Vertrauen, das er genießt) schwer einzuschätzen ist. Normalerweise müsste man vermuten, dass der Verein hofft, noch maximal 1-2 Spieler zu holen (Preisklasse: eher Sinan Kurt als Ondrej Duda), dass aber auch noch Abgänge gelingen sollten (Ronny, Hegeler, auch Stocker könnte in Frage kommen). Dazu die denkbare Variante, dass es ein werthaltiges Last-Minute-Angebot für Brooks gibt.
Alles hat wie immer mit allem zu tun, doch konkret steht Hertha heute Abend schon auf dem Platz. Das ist ein großartiges Gefühl, denn der wahre Fußball, das ist nun einmal der von Vereinsmannschaften, da können auch große Dramen wie das von CR7 bei der EM nicht mithalten. Für meinen Geschmack ist viel wichtiger, ob wir heute schon Anzeichen einer Hertha sehen, die 2016/2017 konkurrenzfähig Bundesliga spielt. Und die sich anschickt, die Position in Europa zu verbessern: im Uefa-Ranking zählen ja immer die letzten fünf Jahre, und das bringt es mit sich dass derzeit Platz 434 herauskommt. Da sind also sogar große Sprünge möglich, die aber wie immer mit kleinen Schritten beginnen. Hahohe!
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