Sommerflause

In einem sozialen Netzwerk hatte am Samstagmorgen jemand erwähnt, dass die U15 von Hertha zu Mittag ein Heimspiel gegen Dynamo Dresden austragen würde, und dass danach eine Meisterfeier anstand. Denn die Nachwuchsmannschaft hat in einer Liga, in der immerhin auch Rülpsbrause Leipzig (copyright kung) spielt, eine exzellente Saison gezeigt.

Die Sonne schien, der Tag war helle, meine Vorhaben ließen sich alle hintanstellen, mit einem Wort, ich tat das, was ein Fußballfan zu Beginn der Sommerpause halt mal so macht, wenn die Entzugserscheinungen noch klein sind, aber doch schon spürbar (FIFA-Spiele tun für mich nichts). Ich fuhr hin, und gesellte mich zu den 140 Besuchern, unter denen ich zu meiner Überraschung auch einen unmittelbaren Nachbarn aus dem Kiez traf. Er hat einen Sohn in der U15.

Es war ein großartiger Sommernachmittag. Das begann schon mit dem Anblick von Andreas Neuendorf, der vor Beginn so gelassen über den Platz zu der Betreuerbank schritt, wie das einst Ronald Reagan für den Gang in den Sonnenuntergang des Lebens verheißen hatte. Das Spiel selbst war spannend und in vielerlei Hinsicht interessant: Die U15 spielte mit einer Dreierkette, woraus man sicher nicht allzuviel ableiten muss, allerdings ist abzusehen, dass diese Systemfrage (Dreier- bis Fünferkette) bei den Profis in der kommenden Saison wichtig werden wird - es könnte das Jahresthema werden, auch deswegen, weil daran die Frage nach einer Verbesserung der schwachen Offensivarbeit im zentralen Mittelfeld hängen kann.

Ich schaue mir so ein Nachwuchsspiel nicht an wie ein Scout, deswegen liegt mir auch nicht daran, hier schon Hertha-Stars der Zukunft zu entdecken - wenn, dann fiel mir übrigens von allem ein Knirps bei den Dresdnern auf, der deutlich kleiner war als die meisten, der aber ein paar schöne Aktionen hatte: Adam Cicovsky aus Tschechien, ein Legionär also, ein offensiver Mittelfeldspieler, für eine hängende Spitze ist er einfach körperlich nicht weit genug, zumal die Herthaner fast durchwegs physisch überlegen waren.

Am Ende stand es 5:3, und dann gab es sogar eine Dusche für den Coach (mit Fanta?), und das obligate "We are the Champions", das in diesem Fall natürlich auch Sinn macht. Denn abgesehen von der prinzipiellen Freude, an einem so traumhaften Tag auf einem guten Rasen guten Fußball spielen zu können, lebt so ein Match natürlich von dem latent immer vorhandenen Zusammenhang: Wer es einmal bis in die U15 von Hertha oder Dresden geschafft hat, könnte eines Tages vielleicht noch in einem viel bedeutenderen Moment die Hymne von Queen hören. Dieser epische Aspekt am Fußball hat mich immer schon besonders fasziniert, weil das eben auch bedeutet, Nebenschauplätze genauso wichtig zu nehmen.

Auf dem Weg nach Hause versuchte ich mir dann noch vorzustellen, wie das wäre, wenn in ein paar Jahren ein zweites Stadion in diesem großartigen Gelände des Olympiaparks stehen würde. Auch das wird ja noch eine epische Angelegenheit. Hoffentlich kommt da kein Blödsinn raus, aber ich würde es vorläufig einmal so sagen: Wenn auf den Platz vor die Gemäldegalerie und neben die Matthaikirche tatsächlich eine Kunsthalle mit den Ausmaßen des Entwurfs von Herzog und de Meuron passen soll, dann sollte ein Fußballstadion neben dem Olympiastadion sicher kein Problem sein. Im Gegenteil: der Entwurf ist so überzeugend, dass sich die anderen Überlegungen, das Oly umzubauen, doch im Grunde von selbst erübrigen müssten.


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