Zwei Monate haben wir nun ohne neuen Fußball zugebracht. In dieser merkwürdigen Zeit hat mich kaum etwas mehr bewegt als die Bilder von Fans, die ich gelegentlich bei einem alten Spiel gesehen habe. Ich habe in alles ab und zu hineingeschaut, womit Sky die Leere zu überbrücken versuchte. Ich habe das Champions League Finale von 1997 noch einmal gesehen, bei dem ich besonders deutlich wahrgenommen habe, wieviel sich in meinem Leben seither verändert hat. Ich habe verschiedene Features gesehen, und dabei bemerkt, was ich eh wusste: Fußball interessiert mich nicht in Ausschnitten. Ganze Spiele aber vermögen mich sofort wieder zu fesseln, ich könnte also auch aus der Konserve halbwegs gut leben, sollte einmal keinerlei Aussicht auf aktuellen Spielbetrieb mehr bestehen.
Die Bilder von den Fans gingen mir deswegen so nahe, weil sie für eine Realität stehen, die Ende Februar noch selbstverständlich war, und wir verloren haben. Dass man sich mit wildfremden Menschen abklatscht, weil einer da unten ein Tor geschossen hat, das ist ein schräger Aspekt von Gemeinschaft, wie auch, wenn man mit unbekannten Menschen das Dunkel eines Kinosaals teilt, in dem ein Film unsere Konzentration auf sich zieht. Das eine ist mein Beruf, ich schreibe über solche Erlebnisse, derzeit sind die auch unterbunden.
Eine Mehrheit der Deutschen lehnt die Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Bundesliga in der Form von "Geisterspielen" ab, habe ich heute morgen gelesen. Ich zähle nicht zu dieser Mehrheit. Ich meine dahinter einen billigen Reflex zu spüren. Der Fußball muss, wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft und der Wirtschaft, eine Lösung finden, wie er weitermachen kann. Es steht ja keineswegs fest, dass zu Beginn einer neuen Saison dann wieder alles wie gehabt sein wird - eher müssen wir vom Gegenteil ausgehen, auch die kommende Spielzeit wird stark beinträchtigt sein.
Es kommt also darauf an, auszuprobieren, was möglich ist. Dass es dabei zuerst einmal vor allem um Fernsehgelder geht, sollte man nicht beanstanden. Ich bin seit 20 Jahren Kunde des Bezahlfernsehens, und trotz allen Ärgers, den Premiere, dann Sky, später auch DAZN uns immer wieder bereiten (und dann auch noch eine Kartellbehörde, der die Fußballfans egal sind), sind die Vorteile doch unbestreitbar: Dass man in Deutschland seit vielen Jahren alle Spiele der ersten beiden Ligen sehen kann, ist ein Luxus, der mit dem Gegenwert von, sagen wir, zwei Packungen Zigaretten pro Monat für meine Begriffe vertretbar abgegolten wird. Und für dieses System in erster Linie beginnt die Liga heute wieder.
Salomon Kalou hat mit seinem Video angeblich die ganze Sache noch einmal in Frage gestellt. Dabei hat er eigentlich in aller Arglosigkeit nichts anderes getan, als einige Widersprüche offen gelegt, die das Konzept der DFL enthält: denn es sind auch taktische Konzessionen an eine fragile Öffentlichkeit, wenn die Clubs in der Quarantäne auf Abstand miteinander essen, und einander nicht die Hand geben dürfen, während sie natürlich heute Nachmittag im Schweiß ihres Angesichts wieder die Fünfmeterräume bevölkern werden, wenn es einen Eckball gibt.
"Die Räume waren sehr groß", hat der neue Hertha-Trainer Bruno Labbadia über ein Testspiel erzählt, bei dem Hertha neulich gegen Hertha gespielt hat. Die Spieler kommen aus einer Wartezeit, in der ihre Gruppenkoordination nicht unbedingt besser geworden sein wird. Ich denke, wir müssen uns auf mäßige Spiele einstellen, vielleicht sogar auf grenzwertige. Vielleicht aber sind wir in einer Woche, wenn Hertha dann gegen Union das Derby spielt. schon ein Stück näher an einer zumindest sportlichen Normalität. Von einer gesellschaftlichen müssen wir vorerst nicht reden.
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