Eine Runde vor Halbzeit in der Bundesliga haben wir jetzt schon mehr als genug Material, um jedes erdenkliche Resultat irgendwie einordnen zu können. Die Niederlage von Hertha in Düsseldorf - eigentlich ganz normal für ein Spitzenteam, auch der BVB hat gestern in der "verbotenen Stadt" (wie ein geistreicher Hertha-Fan gestern getwittert hat) verloren.
Auch das 2:2 zwischen Hertha und Augsburg gestern lässt sich einordnen - allerdings hatte es durchaus Ausnahmecharakter. Denn lange Zeit war diese Begegnung so etwas wie der Minimalkonsens der engen Liga. Und das bedeutete: bleierner Abgleich von Grundkompetenzen mit starker Tendenz zum torlosen Remis.
Und nun so ein ein Tor wie der Ausgleich der Fuggerstädter (ich gestehe: die sportkommentatorische Neigung zum Synonym beginnt mir verspätet Spaß zu machen): ein Move wie von einem Pino Bausch des Fußballs, ein Square Dance mit Plattenhardt und Torunarigha als Maiden, die korrespondierend ihre Gliedmaßen wackeln (und den Ball durch) ließen, und mit Koo als dem intrikatesten Kleinraumdeuter seit der Erfindung der Box in der Box.
Das Tor war ein Leckerbissen, dem Hertha aber davor auch zwei vorgegeben hatte: ein dynamischer Antritt von Lazaro, der zu einem Abstauber von Duda führte (der Slowake eigentlich wieder im Touché-Modus, also keineswegs mit einem forschen Abschluss, aber Luthe ließ trotzdem passieren), davor ein Manöver mit dem Hertha-Wizard Davie Selke, das Leckie abschloss. Der Australier war auch beim Führungstor für Augsburg durch Hinteregger beteiligt, er kam nicht an einen Eckball von Schmid, die Differenz zum Torschützen fällt für mich unter die prinzipiellen Unwägbarkeiten, die ein Corner produziert, und die auch Hertha gelegentlich ganz geschickt nutzt.
Schon zur Pause konnte sich Pal Dardai für seine originelle Taktik bestätigt sehen. Er hatte Leckie als zweite Spitze neben Selke gebracht, Duda neben Maier, Pekarik hinter Lazaro, Mittelstädt vor Plattenhardt. Die Tore fielen durch die Mitte, in der zweiten Halbzeit fiel dann aber doch auf, dass Flügelspiel, die große Errungenschaft einer aus dem Zentrum heraus neu belebten Hertha in dieser Saison, derzeit mangels Personal eher ausfällt.
Hertha spielte in der zweiten Halbzeit nicht mehr wirklich auf Sieg. Pal Dardai gab dann sogar noch ein Neutralisierungssignal, als er Ibisevic brachte, allerdings nicht für Pekarik, wie ich meinte, sondern für Selke, der für die widrigen Verhältnisse ein sehr gutes Spiel gemacht hatte. Mit Ibisevic und Selke (und dem starken Leckie noch eine Viertelstunde auf dem rechten Flügel) hätte Hertha das Spiel gewonnen - hätte, hätte, Menschenkette. Ich bin mir der Anfechtbarkeit meiner Behauptung bewusst.
Ist ja auch irgendwie nicht so wichtig. Der katastrophale Rasen, die schüttere Kulisse, die kurzen Regenerationszeiten vor Weihnachten, all das verleiht der späten Phase der Hinrunde einen Charakter des Provisorischen. Die 16 Spiele vor dem abschließenden gegen Bayer 04 ergeben für Hertha-Fans ein arges Durcheinander. Wer Schlüsse ziehen will, sollte vielleicht besser Blei gießen. Aber dafür ist es noch zu früh.
Und die Lektion aus dem ersten Spiel kann man dann vor dem 18. im neuen Jahr noch einmal hervorkramen: die Dreierfünferkette wurde zu schnell wieder zu den Akten gelegt. Sobald wieder Personal dafür vorhanden ist, wäre die elastische Hertha noch einmal einen Versuch wert.
Und wenn dann im Februar die Bayern zum Pokalspiel kommen, wird hoffentlich ein neuer Rasen verlegt sein. Obwohl sich mit Davie Selke auch ein fieses Kick & Rush gut machen würde. Aber ich greife vor. Gestern habe ich sogar schon vom Rückspiel gegen Augsburg fantasiert: Frühling in Schwaben, Grujic (der da schon einen Fünfjahresvertrag in Berlin unterschrieben hat, finanziert von dem neuen Groß- und Stadioninvestor, einem derzeit noch unbekannten Weddinger Startup, das alle Welt im Februar 2019 mit einem emissionslosen Treibstoff verblüfft) dirigiert eine wirbelnde Hertha, und Selke überholt mit einem Hattrick seine Konkurrenten in der Torschützenliste. Sind so Träume. Wird sicher wieder ein Tanz.
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