Arsène Wenger sah super aus gestern, in seinem weißen Hemd und mit der Arsenal-Krawatte, und er hatte am Ende auch Grund zum Feiern: Arsenal gewann das FA Cup-Finale gegen Chelsea mit 2:1, und das auch noch vollkommen verdient. In der anschließenden Pressekonferenz verriet er, dass er die Medaille behalten hatte (er zog sie kurz aus der Hosentasche), daraus mag man nun etwas ableiten oder auch nicht. Auch sonst gab es bei den Jubelszenen im Wembley Stadion so die eine oder andere Deutungsmöglichkeit. Arsenal hat nun den Rekord bei den FA Cup-Trophäen, das bedeutet in England eine ganze Menge. Aber auf kurze Sicht gibt es erst einmal eine Menge Fragen.
Das Finale war spannend, und hatte auch Qualität, wobei doch erkennbar war, dass Chelsea nicht mehr die allerletzte Intensität aufbrachte. Für Arsenal hingegen ging es darum, eine historisch schlechte Saison zu retten (Platz 5 in der Premier League ist tatsächlich "unheard of"). Anders als im Semifinale gegen Manchester City, das noch ganz im Zeichen der Frühjahrskrise begann, und in dem Arsenal sehr defensiv anfing, war die Spielanlage dieses Mal offensiv.
Die Dreierkette, die taktische Revolution, mit der Wenger in den letzten Wochen der Saison noch einmal deutlich seine Lernbereitschaft gezeigt hatte (nicht seine größte Stärke sonst), hatte in Per Mertesacker einen zentralen Anker, neben ihm spielten Holding und Monreal, an den Längslinien bewältigen Bellerin und (ausnahmsweise links) Oxlade-Chamberlain das beträchtliche Pensum, das diese Formation von den Außenspielern verlangt. Sie gehören ja zu allen Linien der Mannschaft gleichzeitig.
Im Zentrum hatte Arsenal mit Ramsey (wieder in Form) und Xhaka (zunehmend ein Faktor) endlich eine Konstellation gefunden, mit der die Mannschaft wieder ein homogener Zusammenhang ("box to box") ist. Vorne passte Welbeck besser in die flüssige Spielanlage als Giroud, der aber nach seiner Einwechslung den Siegestreffer durch Ramsey vorbereitete. Sanchez und Özil spielten gut, mussten aber nicht allein die ganze Kreativarbeit leisten, sondern - das war ja immer ein Markenzeichen von Wenger-Mannschaften - alle zeigten sich einfallsreich und technisch beschlagen, und es gab auch viele Passoptionen, weil alle gut liefen.
Man könnte auch ganz einfach sagen: Arsenal spielte nicht mehr depressiv, und so reichte es schließlich ziemlich souverän für den dritten FA-Cup in vier Jahren. Eine "trophy", wenn auch natürlich eine Trostpreis-Trophäe.
Damit hat sich Arsène Wenger wohl eine Verlängerung seines Vertrags verdient. Und wie er sich bei Pressekonferenz präsentierte, könnte er vielleicht sogar seine härtesten Verächter (zu denen ich zähle) noch einmal überzeigen. Er gab auch die korrekten Stichwörter: "to lead the club further" und "competence". Das "further" lässt ja zwei Übersetzungen zu, er meinte es sicher in dem Sinn, dass er Arsenal voranbringen möchte, "further" kann aber auch heißen, das es (fürderin) einfach so weitergeht wie bisher.
Das würde bedeuten, dass Arsenal sich vielleicht auf den FA Cup spezialisiert, weil das der kürzeste Weg zu einer Silberware ist, während die wichtigeren Bewerbe außer Reichweite bleiben, weil gegen wirklich gute Gegner dann doch oft etwas fehlt: das, was man Wenger am meisten vorwirft, dass er keinen Unterschied zwischen Spielen macht, dass er die Mannschaft nicht genügend vorbereitet auf Herausforderungen.
Die Saison war konfus genug, dass vielleicht auch ein nahezu 70 Jahre alter Veteran, der sich auch noch gern auf seine alten Verdienste beruft, ein paar Verbesserungen vornimmt. Diese Woche fallen vermutlich schon die wesentlichen Entscheidungen. Wenger wird wohl verlängern, zugleich werden die Vertragsangebote für Sanchez und Özil auf den Tisch kommen, vielleicht gibt es auch noch einen markanten Zugang, um die Stimmung für die Sommerpause weiter zu heben.
Die Spieler sind wohl eher für einen Verbleib von Wenger. Gestern hat Aaron Ramsey sich so geäußert. Würden Özil und Sanchez bleiben, dann wäre tatsächlich der Kern für eine große Mannschaft weitgehend vorhanden. Dann müsste man nur noch die Kultur des "underachievements" irgendwie loswerden, die Arsène Wenger seit ungefähr 2008 hat einreißen lassen.
Im Übrigen hoffe ich nur, dass sich die Eigentumsverhältnisse bei Arsenal nicht dramatisch ändern. Ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen würden, sollte Alisher Usmanow der Mehrheitseigner werden. Es wäre absolut unerträglich.
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Kommentar von Natalie Keil |
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