Die Sommerpause ist überstanden. Die Zeit, in der ich als Ersatzhandlung deutlich öfter als gewöhnlich meinen Twitter-Feed konsultiert habe, ist zu Ende. Morgen wird wieder Fußball gespielt, unter Wettbewerbsbedingungen und mit Formationen, die nicht wie seltsame Mischungen aus Zweibesetzungsexperimenten und Drittbesetzungserprobungen aussehen.
Hertha beginnt die Saison 2019/2020 unter neuen Vorzeichen: der Teilverkauf von Anteilen der KGaA an eine Investment-Firma hat die finanzielle Situation deutlich entspannt. Ich habe negativ auf diesen Einstieg reagiert, und will noch einmal kurz die Gründe erläutern. Mit der Person von Lars Windhorst haben sie nur am Rande zu tun.
Meiner Meinung nach befindet sich der globale Kapitalismus gerade in einer entscheidenden Phase. Das entfesselte Geld hat (und das meine ich jetzt nicht bildhaft) den ganzen Globus als Geisel genommen. Wenn es nicht gelingt, die weltweit brutal durchgesetzten Profitinteressen einzuhegen, werden wir bald wieder die Feudalbedingungen haben, die unter vielen Schmerzen zumindest in Europa so halbwegs überwunden wurden.
Vor diesem Hintergrund gibt es nur zwei Formen von Investments: solche, die sich dieser Lage bewusst sind, und die sich an den beiden entscheidenden Kriterien Gerechtigkeit und Naturschutz orientieren, und alle anderen, denen es einfach um Rendite geht, koste es, was wolle. Tennor gehört, nach allem, was man in Erfahrung bringen kann, in die zweite Kategorie.
Deswegen wäre es mir lieber, Hertha hätte andere Geldgeber gefunden, mit denen man Aspekte wie Innovation und Nachhaltigkeit (oder überhaupt irgendeine Form von sinnvollerer Produktivität als Jachtverlängerung für Abzocker) verbindet. Das ist nicht gelungen, wurde vielleicht auch gar nicht versucht. Das Management stand ja auch unter Druck: ohne Tennor stünde Hertha finanziell ganz schön bedenklich da, wie nebenbei auch deutlich wurde.
Vor diesem Hintergrund kann mann nun positiv festhalten, dass die sportliche Leitung gut mit der veränderten Situation umgegangen ist. Die Verstärkungen sind im Rahmen der mittelfristigen Strategie geblieben. Lukebakio wäre natürlich ohne Tennor nicht finanzierbar gewesen, aber eine negative Transferbilanz von unter zehn Millionen ist angesichts der Beträge, mit denen der Investor eingestiegen ist, nachhaltig. Das ist auch deswegen wichtig, weil Hertha das Image nicht egal sein kann. Wenn man schon durch den Investor als Miniversion eines Oligarchenvereins dasteht, will (oder soll) man nicht auch nicht so auftreten. Das weiß Michael Preetz.
Der Kader ist groß und hat viele spannende Aspekte. Er ist wahrscheinlich sogar zu groß. Es wird viele Härten geben dieses Jahr, und zum Teil könnten sie spannende Spieler betreffen: Arne Maier, Jordan Torunarigha oder Davie Selke. Die Spiele in der Vorbereitung waren allesamt wenig aussagekräftig, deswegen macht es wenig Sinn, hier Prognosen abzugeben oder eine Wunschelf zu nominieren.
Dass mit Ante Covic ein weiterer Coach aus dem eigenen Haus die Verantwortung übernommen hat, begrüße ich vor dem Hintergrund des Investments noch ein bisschen deutlicher. Eine (teurere) Prestige-Personale (David Wagner oder gar Erik ten Hag, die beiden Namen kursierten) war vor Tennor ohnehin nicht darstellbar, jetzt wäre so etwas aber ein Signal, das nur unnötig schlechten Druck machen würde. Ein Talent wie Oliver Glasner hat man sich entgehen lassen, aber auch das hätte viel Unwägbarkeiten mit sich gebracht. Trainerentscheidungen sind im Grunde unberechenbar (Bosz/BVB zum Beispiel), deswegen passt das mit Covic schon. Bewähren muss er sich natürlich, aber darüber können wir erst ab morgen sinnvoll sprechen.
In diesem Sinne: unsere Stadt - unser Verein (und nicht der von Tennor) - Hertha BSC.
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