Verlustvortrag

Ein spanischer Hüne hat am Samstag das Paarlaufen in der Allianz-Arena entschieden: Javi Martinez traf per Kopf gegen Rune Jarstein. Der Keeper ist naturgemäß bei einem Eckball niemand zugeteilt, er entschied sich für eine Faustabwehr in einem Viererpulk, in den der Ball ein wenig höher kam, nämlich dorthin, wohin Martinez sich hochgeschraubt hatte. In diesem Moment fiel ein Spiel auf eine Seite, das davor und überwiegend auch danach alles andere als einseitig gewesen war. Es war aber auch nicht zweiseitig. Sondern eher nullseitig.

Als Hertha in der Hinrunde den FC Bayern mit 2:0 besiegte, da war das noch anders gewesen: eine Halbzeit lang hatte die Mannschaft von Pal Dardai das Spiel mit Verve vor das Tor der Bayern gebracht, angetrieben von einen phasenweise rasanten Flügelspiel. Dieses Mal war der Vortrag (das Wort in seiner doppelten Bedeutung als Aufführung und als Begriff aus der Buchhaltung) deutlich kontrollierter.

Und damit wurde es wieder so ein Spielverlaufsspiel, dieses Mal reduziert auf die minimalste aller Varianten: es gab im Grunde 90 Minuten nur Spiel, aber kaum Verlauf, und mit dem Gegentor war das Spiel für Hertha verlaufen, oder: gelaufen. Denn danach kehrte es in den Modus zurück, den es auch davor gehabt hatte: Gleichlauf. Alles hätte ganz anders kommen können, wenn Selkes Chance kurz vor dem Gegentor nicht in letzter Sekunde vereitelt worden wäre.

Die beiden Niederlagen in der Rückrunde sind einander auf verblüffende Weise ähnlich. Sie künden paradoxerweise von einem Lernprozess. In der Hinrunde war Hertha phasenweise deutlich zu offen gewesen. Inzwischen ist das ein hochsublimiertes Ensemble, das sich immer wieder Erholungsphasen mit Passstaffetten im ersten Drittel organisiert, und das bei den Versuchen nach vorn eine geläufige Metapher variiert: es sind ja mehr als nur "Nadelstiche", die Hertha setzt, für den Spielverlauf könnte jederzeit einer entscheidend werden, aber eben auf eine beiläufige Weise. Hertha versucht, das Spiel zu stubsen, nicht zu wuchten.

Völlig irrelevant, aber doch verführerisch, ist der Gedanke, wie das Spiel mit der von mir präferierten Variante gelaufen wäre. Dann wäre der zusätzliche Mann eben nicht Lustenberger zentral gewesen, sondern der schnelle Klünter. Dann hätte Hertha gegen den mäßig inspirierten Ribery richtig etwas probieren können. Die Bayern waren gestern zu haben, dieses Mal hat Pal Dardai nicht zugegriffen.

Ist nicht so schlimm. Das kommende Heimspiel, gegen einen direkten Gegner um Platz 9 (und, in Wahrheit natürlich bei dieser Mannschaft dann doch: um die Wahrung der Chance auf die Plätze 5, 6 oder 7) ist das viel wichtigere.

zurück zur Übersicht

Kommentare

Kommentar von Jörg Ossenkopp |

Ja, das war glaube ich das schlechteste Spiel, was ich seit langem im Olympiastadion gesehen habe. Die Mannschaft hat sich so ein Alibi-Umlaufen des zentralen Mittelfelds angeeignet, ohne dass sich dadurch Anspielstationen in der Offensive ergeben. Gegen Mainz war das auch schon so, da ging das noch einmal gut. Aber in der Offensive fehlt Einsatz und Koordination in den Laufwegen und in der Ballbewegung. Kalou und Leckie haben sich mehr als einmal gegenseitig gestört. Es gab drei oder vier Pässe oder Flanken in den gegnerischen Strafraum, ohne dass jemand gelaufen wäre um sie anzunehmen. Viel zu häufig wurden Offensivspielzüge vom ballführenden Spieler unnötig verzügert, abgebrochen oder gar per Fehlpass in eine gegnerische Konterchance verwandelt. Der einzige Lichtblick war für mich gestern, dass Dilrosun wieder auf dem Platz stehen konnte. Vielleicht ist es ein Problem, dass Widmayer zum Saisonende weggeht und nicht mehr das nötige Feuer hat. Vielleicht ist es ein Problem, dass es jetzt keinen erfahrenen Spieler gibt, der die Mannschaft auf dem Feld mitreißen kann (Kalou kann das nicht). Vielleicht ist auch Pal senior das größte Problem, weil er sich mit zu wenig zufrieden gibt und eher die Psyche junger Spieler schont als der Mannschaft seine Spielvision aufzuzwingen. Auf jeden Fall ist jetzt Preetz gefragt. Dardai raus, dafür ist es mir persönlich immer noch zu früh.

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 5 plus 8.