Mir der zaghaftesten aller denkbaren Ehrenrunden hat Hertha BSC sich gestern von den Fans verabschiedet. Die Blamage gegen Leverkusen im letzten Heimspiel ist schwer zu verkraften, auch wenn man vielleicht in einer Woche schon sagen darf: Ziel erreicht. Dazu muss nur Dortmund das Pokalfinale gewinnen, dann wäre Hertha nach Platz 6 in der Endtabelle direkt für die Europa League (Gruppenphase) qualifiziert.
Aber was war das für ein Ausklang! Sechs Gegentore, fünf davon gründlich selbst verschuldet, eines packte der Schiedsrichter obendrauf, als er Torunarigha ein Foul an Bailey unterschob. Das erste fiel schon nach fünf Minuten, das letzte in der 90., durch einen Kopfballtreffer gegen eine zu diesem Zeitpunkt schon resignierte Formation.
Mit der Unverdrossenheit eines Fans, der in allem das Gute sucht, könnte ich behaupten: Das ist jetzt vielleicht gar nicht so schlecht, das war noch einmal ein Hinweis darauf, dass Hertha insgesamt keine sehr gute Saison gespielt hat, schon gar keine gute Rückrunde. Aber wieviel mehr hätten wir uns doch gewünscht, dass ein anständiges Finale gelingt - wir hätten uns auch so keine Illusionen über den Stand der Dinge gemacht.
Die hohe Niederlage hatte für meine Begriffe einen strukturellen Aspekt, und einen speziellen. Der strukturelle ist der wichtigere. Hertha hat gestern in der Mitte verloren, dort, wo schon die ganze Saison hindurch ein großes Manko zu erkennen war. Das defensive Mittelfeld war in der Hinrunde wenigstens noch defensiv halbwegs kompakt, zuletzt auch das nicht mehr. Konkret hatte der Coach am Samstag die Wahl zwischen Skjelbred und Allan. Stark sollte offensichtlich geschont werden, er ist derzeit der einzige plausible Spieler für die Sechserposition bei Hertha. Allan und Skjelbred durften sich beide versuchen, der junge Brasilianer hatte eine katastrophale erste Halbzeit, nach der Pause sorgte Skjelbred mit einigen Fehlpässen, davon den vorentscheidenden zum vierten Gegentor, für weitere Konfusion.
Der spezielle Aspekt an der Niederlage hatte mit dem Idealismus von Pal Dardai zu tun. Er wollte offensichtlich Torunarigha für seine gute Leistung gegen Darmstadt belohnen, behielt ihn im Team und stellte Brooks dafür auf die rechte Seite der Innenverteidigung. Damit hatte Hertha hinten zentral zwei linke Füße, die Abstimmung war nicht gut, beide hatten ungeschickte Momente. Brooks hatte mit einem Ballverlust vor dem dritten Gegentor vor der Pause den wahrscheinlich wichtigsten, er musste in der Kabine bleiben. Eine harte Sanktion, mit der der Trainer im Grunde auch die eigene taktische Maßnahme abstrafte.
Hertha hatte durchaus Chancen, das Offensivspiel war nicht uninteressant, es gab sogar ein paar wirklich flüssige Bewegungen. Aber Leverkusen war individuell wie taktisch (Havertz!) deutlich besser. Man konnte deutlich sehen, dass Hertha für das kommende Jahr maximal eine halbe Stammformation hat, mit anderen Worten: es fehlt an allen Ecken und Ende (etwas).
An einem denkwürdigen Tag für die Liga (mit Massenszenen in Köln und in Hamburg) hat Hertha auch über das Spiel hinaus gezeigt, dass der Weg (wenn es denn einen gibt) noch weit ist. Trotz guter äußerer Bedingungen kamen nur 55.000 Zuschauer. Man hat fast den Eindruck, dass in den Zweitligajahren mehr Zuspruch da war, damals stiegen die Mitgliederzahlen, und zum Finale hin kamen die Leute in Scharen. Man könnte meinen, dass "der Berliner" lieber einen kleinen Titel feiert, als die Zulassung zum schnöden Europapokal (die, die sich erinnern können, denken dabei vielleicht noch an torlose Frostspiele gegen einen RC Lens oder so).
Hertha hat keinen Hype entfacht, und selbst bei einem Sieg gestern und bei Platz 5 wäre die Stadt nicht in Begeisterung ausgebrochen. Das ist natürlich prinzipiell ein gutes Zeichen, denn eine Weltstadt hat mehr zu tun als einen Sportclub aus den westlichen Bezirken für seine wankelmütigen Bemühungen zu feiern. Aber ein bisschen war es schon verwunderlich, wie lakonisch das gestern alles abging - es passte aber zur Saison. Hertha hat etwas erreicht, aber selten begeistert.
Das hat viele Gründe, über die wir nun in aller Ruhe nachdenken können, während viele Spieler zu allen möglichen Turnieren reisen und andere in den Urlaub. Bei der Mitgliederversammlung in einer Woche werden wir dann schon wissen, wie der Terminkalender im Sommer aussehen wird.
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