Sag mir, Muse, die Tore

20 Jahre Marxelinho

Heute vor zwanzig Jahren habe ich meinen ersten Post über Hertha BSC veröffentlicht. Es war auch mein erster Text unter dem Namen Marxelinho, den ich erst später erklärt habe. Ich habe ganz normal mit einer Matchkritik angefangen: Hertha hatte zum Auftakt der Saison 2004/2005 daheim 2:2 gegen den Vfl Bochum gespielt. 2004 hatte ich noch keine eigene Seite, sondern nützte eine der damals populären Blogger-Infrastrukturen, wo auch bis heute ein größerer Teil meiner Hervorbringungen aus den 20 Jahren liegt. Ein Eintrag über ein Pokalspiel in Aindling ist mir auch noch in Erinnerung, außerdem habe ich bald nach dem Start eine Declaration of Principles geschrieben, die natürlich nicht bierernst gemeint war.

In diesen Jahren ist naturgemäß viel passiert, in der Welt, in meinem Leben und mit Hertha BSC. Ich stand mit ein paar Unentwegten in einem nahezu leeren, eiskalten Oly, als Hertha im November 2005 im Europacup 0:0 gegen Lens spielte, ich habe gesehen, als Gilberto das vielleicht großartigste Kontertor aller Zeiten für Hertha BSC erzielte (nach Vorarbeit von Chinedu Ede gegen den BVB), ich habe Adrian Ramos, Marko Pantelic und viele andere Spieler geliebt, ich habe eines der düstersten Spiele gegen Nürnberg in einer Abstiegssaison in Erinnerung, und erst neulich haben wir wieder gemeinsam daran gedacht, was alles schief lief an diesen feuchtkalten Abend, an dem Roman Hubnik der tragische Held in einem Pokalspiel gegen Gladbach wurde, das wirklich nur Fans so ertragen können.

Wegen Lars Windhorst habe ich meine Mitgliedschaft zurückgegeben, später habe ich mir eine neue geholt. Ich habe in den Jahren oft das Gefühl gehabt, dass ich mich ständig wiederhole. Inzwischen habe ich das akzeptiert: Im Fußball leben wir zyklisch und evolutionär zugleich, Fortschritte gibt es nur in Ausnahmefällen. Aber es ist nun einmal so wie mit allen interessanten Dingen: wenn man nicht einfach zuschaut, sondern über das Gesehene auch noch ein wenig nachdenkt, wenn man etwas formuliert, tut das auch dem Zuschauen gut. Möglichst genau hinschauen ist meine Form der Leidenschaft. Ich bin nicht gegen Investoren, ich bin nur gegen Korruption, schwarzes Geld und Räuberkapital. Ich hätte gern gewusst, wie Michael Preetz mit Kay Bernstein ausgekommen wäre.

Meine Ideale vom ganz großen Fußball erfüllt zur Zeit der Arsenal FC. Es reicht aber auch schon ein cooler Move von Ibrahim Maza, um mir das ganze Epos des Fußballs (vom U17-Spiel bis nach Wembley) zu verdeutlichen. An diesem Epos schreibe ich ein bisschen mit.

Mein Traum wäre eine Europa League für Zweitligisten. Ich mag es nämlich, zu obskuren Spiel zu fahren. Natürlich wäre es mir lieber, Hertha würde bald wieder erste Liga spielen, und vielleicht irgendwann sogar anders international als damals gegen Lens in einer insgesamt trostlosen Europacup-Saison. Aber so weit denkt kein vernünftiger Fan voraus. Unser Horizont ist immer das kommende Wochenende.

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Kommentare

Kommentar von Natalie Keil |

Ich freue mich über Deinen Text und die folgenden. Bis bald 👋🏻

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